Aventurisches Archiv selbstgemacht

Als Nachschlagewerk für Artikel aus dem Aventurischen Boten war das Aventurische Archiv ein hilfreiches Werkzeug. Leider wurde bisher nicht mal der Hälfte aller erschienenen Boten diese Behandlung zuteil. Wer die anderen Boten in gesammelter Form im Regal stehen haben möchte, muss wohl oder übel selbst aktiv werden.

Meisterliche Wissenslücken

Jeder gestresste Meister kennt sicher das Problem: Da verbleiben nur noch wenige Stunden, bis die Spielertruppe zur nächsten Abenteuer-Sitzung anrückt, und natürlich ist das Abenteuer noch immer nicht fertig vorbereitet. Also wird fleißig der Abenteuertext studiert, die Eigenheiten der unzähligen Nichtspielercharaktere verinnerlicht, die Details der Hintergrund-Geschichte recherchiert. Man flucht über die unzähligen Mitglieder der Familie Rabenmund, deren Vornamen man stets durcheinander wirft, und hofft, dass niemandem auffällt, dass man keine Ahnung hat, wer eigentlich Praiodan von Luring nochmal war. Und wer kämpfte in der Blutnacht von Rommilys gegen wen? Bin ich ein schlechter Meister, weil ich nicht weiß, wie Melvyn Stoerrebrand mit Stover Regolan Stoerrebrandt verwandt ist?

Zum Glück leben wir im 21. Jahrhundert, und können die Segnungen der Technik nutzen. Also wird schnell auf Wiki Aventurica nachgeschlagen, wann denn nochmal Dom Eslam auf Rohaja getroffen ist, oder warum Alrik von Blautann und vom Berg in den Finsterkamm verbannt wurde. Natürlich findet man diese Informationen nicht direkt im Netz - Ulisses will ja schließlich auch all seine schönen Publikationen für klingende Münze an den Mann bringen. Stattdessen verweist die Seite erstmal auf den Aventurischen Boten - Dank der unermüdlichen Wikianer meist mit Angaben, wo genau die Informationen gefunden werden können.

Wäre es nicht schön, wenn man alle Aventurischen Boten in Buchform vorliegen hätte?

Schon beginnt der arme Spielleiter hektisch die Aventurischen Boten hervorzukramen. In welchem der Ordner war noch gleich der Bote 107? Ach, den habe ich letzte Woche schon gebraucht, und wohl nicht wieder an die richtige Stelle zurückgeräumt. Habe ich den Boten 97 überhaupt? Und warum ist Bote 120 eigentlich so verknickt?

Das alles kostet Zeit und Nerven: Bald schon werden die ersten Spieler vor der Tür stehen, und, bewaffnet mit Heldenbögen, Chips-Tüten und Cola-Flaschen, eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Spielwelt mit lebendigen Charakteren, Städten und Organisationen einfordern. Und noch immer hat der Meister nicht rausgefunden, wer denn bitte wann das Heiligtum von Sancta Boronia geweiht hat...

Unvollständiges Aventurisches Archiv

Nur die wenigsten Spieler werden seit dem Aventurischen Boten 1 fleißig jede Ausgabe gesammelt und ordentlich abgeheftet haben. Dieses Problem war sicherlich auch den DSA-Redakteuren bekannt, und so wurde bereits 1989 von FanPro mit Kleinodien der erste Sammelband zu den ersten 20 Ausgaben in überarbeiteter Form herausgegeben.

Danach folgte lange Zeit nichts mehr - erst 2001 wurde mit dem Aventurischen Archiv versucht, die unzähligen Artikel für die Nachwelt verfügbar zu machen. Zehn Jahre lang wurden mit schöner Regelmäßigkeit neue Bände dieser Reihe veröffentlicht, was nicht einmal durch den finanziellen Kollaps von FanPro und die Übernahme durch Ulisses aufgehalten werden konnte.

Ebenfalls 2011 wurden die Inhalte der acht Archive in einem Sammelband zusammengefasst. Aber auch dieser ist mittlerweile vergriffen und nur schwer im Netz zu finden. Die optimistische Angabe auf dem Cover "Aventurisches Archiv Sammelband I" ließ hoffen, dass weitere Sammelbände sich mit den fehlenden Jahrgängen beschäftigen würden. Aber heute, sechs Jahre nach Veröffentlichung, sieht es nicht danach aus, als ob Ulisses daran noch Interesse hätte.

Die verfügbaren Ausgaben des Aventurischen Archivs

So liegen, Stand heute, lediglich die Aventurischen Boten 23 bis 77 mehr oder weniger vollständig in gesammelter Form vor. Sie decken damit die gesamte lebendige Geschichte Aventuriens vom 75. Donnersturmrennen bis zum Ende der Borbarad-Krise ab (zumindest diejenigen Texte, die sich mit den reinen aventurischen Geschehnissen beschäftigen, und nicht mit Regel-Texten, Kleinanzeigen oder Produktankündigungen). Wer nach der G7-Kampagne spielen möchte, muss sich entweder alle Boten besorgen oder schaut in die Röhre.

Leider ist auch das elektronische Archiv von Ulisses nicht vollständig: Im Ulisses E-Book-Shop können lediglich die Ausgaben 153 bis 180 gekauft und als PDF heruntergeladen werden. Damit verbleibt eine Lücke von Ausgabe 78 bis Ausgabe 153 - insgesamt 75 Ausgaben, für die weder ein Magazin in Heftform noch eine elektronische Datei auf legalem Wege bezogen werden kann. 

Selbst ist der Sammler!

Als ich mich während der Vorbereitung der "Jahr des Feuers"-Kampagne durch mein Botenarchiv wühlte, stellte ich leider fest, dass meine Sammlung erst ab Bote 120 begann, und damit ziemlich genau die relevanten Ausgaben fehlten. Also wurde eifrig in diversen Rollenspiel-Läden im Ruhrgebiet nach alten Exemplaren gesucht, und auch wenn ich teilweise noch fündig wurde (der skurile Rollenspiel-Computer-und-Waffen-Laden in Oberhausen hat noch zahlreiche alte, aber vergilbte Exemplare), so musste doch so manche Boten-Lücke bei eBay gefüllt werden.

Da lagen nun also zwanzig Boten-Ausgaben in Papierform vor mir, und da kam mir die Idee: Wenn Du schon keinen Aventurisches Archiv - Sammelband 2 kaufen kannst, bastel Dir doch Deinen eigenen!

Im Internet findet man natürlich auch ein paar Anleitungen, wie man Bücher von Hand binden kann. Wer genug Geduld hat, greift zu Nadel und Zwirn, und näht die einzelnen Doppelseiten schlangenlinienförmig (Hesindegefällig!) aneinander.

Für geduldige DSA-Spieler mit ruhigem Händchen

Der große Nachteil dieser Methode: Die Aventurischen Boten müssen dafür komplett in Einzelseiten zerlegt und unwiderruflich verbunden werden. Neben der Gefahr, durch mangelndes Handwerksgeschick die schönen Boten zu zerstören, kommt noch das Problem, dass die zusammengesuchten Boten alle einen unterschiedlichen Vergilbungszustand haben und daher in gebundener Form sehr uneinheitlich aussehen können. Außerdem verliert man natürlich jede Möglichkeit, bei Bedarf doch einzelne Boten zu einer Abenteuer-Sitzung mitzunehmen.

Für mich gab es daher nur eine Alternative: Anstatt meine wertvollen Originale zu verwursten, begann ich, alle Seiten der Boten einzeln einzuscannen und zu kopieren. Der große Vorteil: Bei sorgfältiger Arbeit erhält man Kopien auf reinweißem Papier in gleichbleibender Qualität. Für die Kopien verwendete ich meinen treuen Epson EcoTank ET-4550, der hier mit seiner sehr günstigen Druckertinte punkten kann.

Der Nachteil? Es dauert! Für das Kopieren eines einzelnen Boten mit normalerweise 28 Einzelseiten brauchte ich im Durchschnitt etwa 45 Minuten. Für die insgesamt fast 600 Seiten der Bände von 100 bis 119 benötigte ich somit über 15 Stunden. Man muss selbst entscheiden, ob man sich eine dermaßen stupide Arbeit antun möchte.

Das fertige Buch

Wenn erstmal alle Seiten als formschön kopierter Stapel bereitliegen, folgt der finale Schritt: Das Binden der Seiten! Da wir nun keine A3-Doppelseiten mehr vorliegen haben, fällt die Möglichkeit des Vernähens der Seiten leider weg. Daher bleibt nur die klassische Klebebindung. Wer es gerne selber probieren möchte, findet auch dazu auf Youtube einige Anregungen:

Sehr old-schooliges Buchbinde-Tutorial

Ich habe aber darauf verzichtet, da ich dann immer noch das Problem gehabt hätte, selber einen ansprechenden Einband aus Kunstleder zu fertigen, was ohne die notwenigen Materialien und Kenntnisse nicht trivial ist. Daher bin ich einfach direkt zum lokalen Buchbinder in meiner Nachbarschaft gegangen und habe mich über die Möglichkeiten und Preise informiert. Und siehe da: Das Binden und Beschriften eines Zeitschriften-Sammelbandes kostet beim Buchbinder gerademal 31,80 €. Ein sehr fairer Betrag, wie ich finde.

Das Ergebnis

Und hier liegt er nun endlich vor mir, mein eigenes kleines Aventurisches Archiv. Der Einband glänzt in schwarzem Kunstleder, und leuchten weiß geprägte Fraktur-Lettern. Netterweise hat der Buchbinder ungefragt eine Schriftart ausgesucht, die dem Original-Logo des Boten erstaunlich nahe kommt.

Der Einbandtext wurde netterweise vom Buchbinder stark am Original angelehnt.
Sprich: In bin rundum zufrieden mit dem Ergebnis. Und die Nummern 100-119 auf dem Einband lassen es erahnen: Ich werde mich direkt daran machen, auch die restlichen Lücken in meinem Aventurischen Archiv durch dazu passende Bände zu ergänzen. Als nächstes folgen die Ausgaben 80 bis 99.

Ein Wort zum Urheberrecht

Beim Anfertigen einer Kopie begibt man sich natürlich immer in eine rechtliche Grauzone. Eine höchst unjuristische Internet-Recherche zum Thema Privatkopie führte mich zu folgendem Auszug aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG), § 53: "Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch" (Kürzungen von mir):
"... (4) Die Vervielfältigung... eines Buches oder einer Zeitschrift, wenn es sich um eine im wesentlichen vollständige Vervielfältigung handelt, ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, ... zulässig... zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt. ..."
Ich hoffe, damit auf der rechtlich sicheren Seite zu sein, solange ich die Kopie nicht an einen Dritten weiterreiche oder gar verkaufe. Natürlich bin ich aber kein Jurist, würde daher jedem Nachahmer empfehlen, sich im Zweifelsfall juristischen Rat einzuholen. Ich hoffe, dass ich mich durch das Kopieren meiner eigenen Exemplare des Aventurischen Botens keiner Urheberrechtsverletzung gegenüber Ulisses schuldig gemacht habe. Falls doch, möge man mich bitte formlos darüber informieren, damit ich meine Kopie mit einem tränenden Auge direkt verbrennen kann. Und ich versichere, dass ich in jedem Fall der erste Käufer wäre, wenn Ulisses irgendwann einen zweiten (oder dritten, oder vierten...) Aventurisches-Archiv-Sammelband herausbringen würde.

Fazit

Insgesamt hat mich der Spaß folgendes gekostet:
  • 20 Aventurische Boten: ca. 70 €
  • Papierkosten (300 Blatt DIN A4, 100 g/cm²): 6 €
  • Druckertinte (schwarz, Epson ET-4550): 2 €
  • Binden der Boten in Kunstlederumschlag mit Prägung: 32 €
  • Gesamtkosten: 110 €
Der Arbeitsaufwand lag bei mir bei etwa 15 Stunden zum Kopieren von fast 600 DIN A4-Seiten.

Wie man sieht, sind die Papier- und Druckkosten bei einem geeigneten Drucker verschmerzbar. Wer dagegen teure Tintenstrahldrucker mit kleinen Tintenpatronen verwendet, wird leicht auf die zehnfachen Druckkosten oder mehr kommen.

Wer bereits alle Boten zu Hause rumliegen hat, und bereit ist, die Originale an die fähigen Hände eines Buchbinders weiterzureichen, muss lediglich die Kosten für die Bindung bezahlen. Mit etwas mehr als 30 Euro ist dieser Betrag sehr überschaubar. Ein altes Exemplar des ersten Aventurischen Archiv-Sammelbands zu erstehen, kostet auf eBay meist erheblich mehr.

Hat sich die Mühe des Kopierens für mich gelohnt? Wenn ich das fertige Buch im Regal zwischen den anderen Hardcover-Bänden bewundere, lässt sich diese Frage ganz klar nur mit einem lauten "Das wohl!" beantworten. Denn endlich macht mir die Literatur-Recherche wieder Spaß!

Also, was genau war jetzt nochmal der Rappenfluher Eklat...?

Das Ergebnis der Mühen im Sammlerregal

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