Rezension: Namenlose Nacht - Orgie in den Thermen

Wenn ein besorgter traviagläubiger Familienvater die Helden bittet, ihn auf eine Orgie in die Therme zu begleiten, um nach seiner verschollenen Tochter zu suchen, klingt dies nach einem pikanten, aber geradlinigen Auftrag. Doch hinter dem unzüchtigen Treiben verstecken sich noch sinistere Absichten, Verbrecher und gefährliche Kreaturen lauern in den Thermen, und finstere Rituale müssen aufgedeckt werden. Bevor die Helden sich versehen, müssen sie selbst um ihr Leben kämpfen, um die Namenlose Nacht zu überstehen.

Diese Rezension beschäftigt sich mit dem Ab-18-Abenteuer "Namenlose Nacht". Es wird versucht, so wenig wie möglich der spannenden Handlung zu verraten. Wer mehr Details zur Handlung (und mehr Sex-Szenen und mehr Spoiler!) lesen möchte, dem sei unser ausführlicher sechsteiliger Spielbericht ans Herz gelegt.

Die Ankündigung

Als Ulisses kurz vor Weihnachten 2013 ein Abenteuer ankündigte, das die Helden mitten in eine wilde Orgie der Garether Oberschicht versetzt, nackt wie Tsa sie schuf, und nur für Spieler ab 18 Jahren, da liefen die Internet-Foren heiß. Wildeste Mutmaßungen über unvermeidliche Schmuddel-Bildchen, harmlosen DSA-Blümchen-Sex oder die ersten erwachsene Publikation für reife Rollenspieler wurden diskutiert. Dass das Abenteuer nur in begrenzter Auflage von 1000 Exemplaren erscheinen, und auch nur über den F-Shop im Bundle mit der PDF-Version verkauft werden würde, sorgte für weiteren Unmut.

So erringt man die Aufmerksamkeit seiner Kundschaft!

Doch die Namen der beiden erfahrenen Autoren Anton Weste (u.a. Die Herren von Chorhop, G7-Neuauflage, Jahr des Feuers) und Tom Finn (u.a. Rausch der Ewigkeit, Simyala, Donner und Sturm) ließen Gutes erhoffen, und als im April 2014 die ersten Exemplare im Briefkasten der aufgeregten Leserschaft eintrudelten, schienen sich die Gemüter zu beruhigen. Genug für die vier Helden (und den Schelm), um sich nun, nach erfolgreichem Bestehen des Abenteuer, ein neutrales Urteil zu bilden.

Die Geschichte

Gareth, am ersten namenlosen Tag des Jahres 1036 BF. Gastwirt Travian Korninger bittet die Heldengruppe um Hilfe: Seine 16-jährige Tochter Selinde ist verschwunden, und ein anonymer Erpresserbrief fordert ihn auf, zur heute beginnende Orgie in die alten Kaiser-Bardo-Therme zu kommen. Da der biedere und zutiefst traviagläubige Mann diesen verruchten Ort nicht alleine betreten möchte, sollen ihn die Helden als Leibwächter und Detektive begleiten. Nur in spärliche Kostüme gekleidet und mit nichts bewaffnet als ihrem Verstand und Charme müssen die Helden die 200 Orgiengäste und Bediensteten beobachten, auf ihren Auftraggeber Acht geben und nebenbei (sofern sowas den Charakteren gefällt) selbst an dem Rahja bzw. Levthan (oder Belkelel?) gefälligen Treiben teilnehmen.

Der Auftraggeber Korninger - eine Frohnatur!

Schon bald stellt sich jedoch heraus, dass die Rettung von Selinde Korninger nur einer von mehreren Handlungssträngen ist, die die Helden in dieser Nacht zu entwirren haben. Die ersten Todesfälle müssen aufgeklärt werden, und seltsame Nachrichten, die vom Baumeister der Therme hinterlassen wurden, wollen enträtselt werden. Bevor es schließlich zum spektakulären Endkampf tief in den düsteren Mauern der Therme kommen kann, müssen die Helden einen dramatischen Wettlauf gegen die Zeit bestehen, bei dem nicht nur das Schicksal der andere Orgiengäste, sondern ihr eigenes Leben auf dem Spiel steht.

Das Titelbild

Der erste Aufreger erwartet den freudigen Käufer schon beim ersten Anblick des Bandes: Die Namenlose Nacht ist das erste (und bisher einzige) DSA-Abenteuer, das sich aufgrund seines expliziten Inhalts schamvoll hinter einem schwarzen Schutzumschlag verstecken muss. Unter dem eher unauffälligen Titel-Schriftzug prankt unübersehbar eine "empfohlen ab 18 Jahren" Warnung in einem roten Kreis. Grund genug, um die Fantasie des Lesers auf's Dreckigste anzuheizen.

Der Blick hinter den Schutzumschlag

Wer mit verschwitzten Fingern einen vorsichtigen Blick hinter den Schutzumschlag wagt, wird schnell wieder ruhiger atmen: Statt des erwarteten expliziten Hardcore-Bildchens wird eine relativ harmlose Szene spätrömischer Dekadenz gezeigt, die zwar nackte Haut präsentiert und Korpulation andeutet, aber dies auf sehr unaufdringliche Weise macht. Damit hat Ulisses-Chefkünstlerin Nadine Schäkel auch sehr schön das Thema für die kommenden 152 gesetzt: Wer Lust hat, kann sich auf ein sexuell moderat explizites Abenteuer freuen; wem das am Spieltisch aber peinlich oder wenig erstrebenswert erscheint, darf die Orgie samt dekadentem Treiben als kurioses Setting ohne Spielrelevanz betrachten.

Das Abenteuer

Das Abenteuer kommt mit ausgesprochen großzügigen 152 Seiten daher, die viel Platz für Beschreibungen der Lokalitäten, der NPCs und der Handlung erlauben. Der Weg ins Abenteuer fällt dabei erfreulich kurz aus: Die Helden erfahren irgendwoher, dass Travian Korninger, einigermaßen erfolgreicher und angesehende Gastwirt, seine Tochter sucht. Sei es, weil sie einen Aushang gelesen oder zufällig im Hotel Korninger übernachtet haben, wird Korninger sie schnell bitten, ihn auf seiner prekären Mission zu begleiten.

Unsere Gruppe hatte das Glück, gerade erfolgreich das Jahr des Feuers überstanden und als Helden von Gareth einen gewissen Ruf errungen zu haben, der auch Korninger zu Ohren gekommen ist. Und da sie sich in Rommilys für die Travia-Kirche verdient gemacht haben, und sich offenbar nicht zu schade sind, sich die Hände schmutzig zu machen, war unser Abenteuereinstieg sehr naheliegend. Die Umdatierung von 1036/37 BF auf 1028/29 BF stellt dabei kein großes Problem dar, da sich die Ereignisse kaum auf tagesaktuelle politische Ereignisse beziehen.

Ob die Helden vor dem Besuch der Therme noch detailliert mit der Kostümbeschaffung oder mit Nachforschungen befassen wollen, bleibt dem Meister überlassen. In jedem Fall landen sie früher oder später leicht bekleidet und waffenlos in der Therme, und können beginnen ihre Umgebung zu erforschen. Die Haupthandlung gliedert sich im Wesentlichen in zwei Akte: Im ersten, sehr gemächlichen Akt können sie die Meisterpersonen kennenlernen, die unzähligen Räume der Therme erkunden und erste Erkenntnisse zur entführten Selinde und der Geschichte der Therme sammeln. Sobald der zweite Akt beginnt, wird aus dem ruhigen Abenteuer eine immer schneller werde Abfolge von Ereignissen, bei denen die Helden immer schwerer mithalten können. Bis zum furiosen Finale müssen sie insgesamt drei Haupthandlungsstränge und diverse Neben-Plots enthüllen, die alle irgendwie miteinander verwoben zu sein scheinen.

Um dem Meister die Arbeit zu erleichtern, werden ihm diverse Hilfsmittel zur Verfügung gestellt: Einleitende Texte zum Vorlesen, eine Übersicht über die wichtigsten Meisterpersonen, kurze Regeln und Listen zu Speisen, Rauschmitteln und Sexualität (keine Sorge: Die kurzen verschämten Empfehlungen sind kein Ersatz für das auf dem Kaiser Raul Konvent angekündigten Regelband Wege der Vereinigung). Zahlreiche Gerüchte und Zufallsereignis-Tabellen machen die Spielwelt noch lebendiger, als sie durch die Haupthandlung ohnehin schon ist.

Nicht das zusätzliche Zufallsereignisse nötig werden: Die Handlung ist bereits in unzählige notwendige und optionale Ereignisse gegliedert, die meist in beliebiger Reihenfolge und nach Gutdünken des Meisters platziert werden können. Dabei darf gerne auch das eine oder andere Geschehen übersprungen werden: Je nach Stimmung und Geduld der Spielgruppe kann man den ersten Akt durchaus in einer Sitzung durchjagen (wobei man viel Atmosphäre verpassen würde) oder auf fünf Sitzungen auswalzen (was dann irgendwann etwas eintönig werden wird).

Sobald die Helden beginnen sich zu langweilen, und sich zu fragen, warum der Meister dieses Abenteuer zuvor so hoch gelobt hat, beginnen hinter den Kulissen dramatische Ereignisse ihren Lauf zu nehmen, die aus dem beschaulichen Orgien-Treiben ein blutiges Massaker machen. Der Weg dorthin ist detailliert beschrieben: Warum die Helden Teil der Geschehnisse werden, warum sie nicht einfach abhauen können, und wie die Lage immer bedrohlicher und verzweifelter wird. Dabei müssen die Helden stets mehrere Handlungsfäden gleichzeitig entwirren und so langsam aber sicher verstehen, was sich hier für unheimliche Aktivitäten abspielen.

Auf Seite 83 endet das eigentliche Abenteuer. Moment! 83? Habe ich nicht oben geschrieben, dass es 152 Seiten gibt? Richtig! Der Rest des Bandes besteht komplett aus Anhang! Und dieser stellt sicherlich einen der detailliertes und ausführlichsten dar, die ich jemals in einem DSA-Abenteuer lesen durfte.

Die Therme

Der erste Anhang beschreibt den eigentlichen Star des Abenteuers: Die Bardo-Therme, alle Räumlichkeiten, und die umliegende Parkanlage. Auf insgesamt 22 Seiten wird jeder einzelne Raum der zwei Hauptetagen detailliert beschrieben. Was gibt es im Raum, wie komme ich hinein, wie hell und wie warm ist es, welche improvisierten Waffen gibt es, welche Personen kann ich hier treffen, und vor allem: Welche Rahja-gefälligen Akt-Bildnisse sind hier zu sehen. Ganz Recht, die Autoren haben sich die "Mühe" gemacht, mehr 40 Bildnisse mit nackter Haut aus 30 Jahren DSA-Publikationen zusammenzusuchen und samt Seitenangabe über die Räume zu verteilen (die Bilder selbst muss man sich allerdings eigenhändig aus den Publikationen heraussuchen). Selbst in den Bedienstetenquartieren im Keller hängen Elfen des Monats aus den Aventurischen Boten an der Wand! Nettes Detail!

Munteres Treiben in der Therme

Die Pläne der Therme sind sehr schön und sehr detailliert ausgefallen: Nicht nur die Grundrisse der Räume sind dargestellt, sondern auch deren Inhalt grob skizziert. Dabei leiden sie nicht unter der bei der Nutzung von Photoshop so verlockenden und in neuen Abenteuern oft beobachteten Überdetaillierung, die mit Texturen zusätzliche Details vortäuschen und dabei die Übersichtlichkeit opfern. Man sieht, dass die Autoren (und der Kartenzeichner) sich viele Inspirationen von echten römischen Thermen geholt haben und diese auch im Text zelebrieren (unser Highlight war das Xylospongium in den Latrinen).

Ein ganz großer Fauxpas darf aber auch nicht verschwiegen werden: Auf den Handout-Plänen für die Spieler sind tatsächlich einige Geheimnisse zu sehen, die nicht für Spieleraugen bestimmt ist. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, sind diese Pläne auch nach nunmehr drei Jahren immer noch nicht korrigiert von Ulisses zur Verfügung gestellt worden, sodass jeder Meister entweder selbst zu Photoshop greifen und die Geheimnisse wegretouchieren muss, oder den Spielern einfach keine Pläne zeigen kann, was sehr schade und unpraktisch wäre. Da jeder Käufer des Abenteuers (das es nur bei Ulisses gibt) auch die PDF-Version besitzt, hätte mindestens diese mittlerweile mal korrigiert werden können, ja, müssen! So schludriges Verhalten ist man von Ulisses eigentlich nicht gewohnt!

Die Personen

Anhang 2 behandelt die Meisterpersonen, und derer gibt es wahrlich vieler: Ganze 74 von insgesamt 200 Charakteren haben eine mindestens kurze Beschreibung erhalten, die Hauptcharaktere können sogar mit jeweils ein bis zwei kompletten DIN A4 Seiten aufwarten. Die Riege der Personen ist interessant und vielfältig: Vom schillernden Gastgeber Zurbaran Gerbelstein, dem verklemmten Auftraggeber Korninger, der mysteriösen unnahbaren Schönheit, dem stinkenden Güllner, dem seltsamen Schamanen, der alterslosen Kaiser-Witwe, dem Unfug treibenden Teenager, dem tiefenentspannten Halbelfen, dem divenhaften Koch, dem unbeirrten Schwimmrenter, den unzähligen Dienern, Leibwächtern und Huren - selten gab es ein solch liebevoll ausgearbeitetes Panoptikum skuriler Gestalten zu sehen und zu erleben.

Der Gastgeber

Von Charakter-Portrait über Hintergrund-Beschreibung, Zitate, sexuelle Vorlieben, Verhaltensweisen in bestimmten Situation bis hin zu detaillierten Spielwerten sind alle Hauptcharaktere wunderbar ausgearbeitet und lebendig. Absolut vorbildlich - ich kann mich an kein anderes Abenteuer erinnern, das dermaßen gute Beschreibungen selbst für kleine, unwichtige Nebencharaktere bereitstellte. Wer bei all diesen Personen Angst hat, die Übersicht zu verlieren, kann beruhigt werden: Die klare Gliederung nach Personengruppen und das schöne Personenverzeichnis, das alle Personen mit Seitenangaben auflistet, machen den Berg an Informationen einigermaßen handhabbar.

Weitere Anhänge zu Kostümen, improvisierten Waffen, Zeittafeln und Artefakten sind dann schon fast selbstverständliche kleine Werkzeuge, um dem Meister bei der Leitung des Abenteuers noch mehr unter die Arme zu greifen. Vorbildlich sind auch die insgesamt 11 Handouts, die nicht nur groß und meist gut lesbar gestaltet sind, sondern auch noch mit jeweils einer eigenen Reinschrift versehen wurden, um dem Meister das Entziffern zu Erleichtern. Details wie diese machen aus einem guten Abenteuer ein großartiges Abenteuer!

Die Orgie

Trotz all der anderen Vorzüge, die sich erst auf den zweiten Blick ergeben, müssen wir aber doch den eigentlichen Hauptgrund für den schnellen Ausverkauf der Druckversion des Abenteuers beim Namen nennen: Nacktheit! Sex! Geschlechtsorgane! Korpulation! Zwergenpimmel! Die Autoren kokettieren geschickt mit der von Ulisses geschürten Erwartungshaltung des verruchten Ab-18-Abenteuers, und geben dem Leser, was sie wollen: Bilder von halbnackten bis nackten Körpern, von Geschlechtsakten, von orgiastischem Treiben. Aber man muss schon sehr unter Libidostau leiden, um die relativ harmlosen Bildchen als erotischen Höhepunkt zu betrachten.

Wer aus dem Abenteuer ein prickelndes erotisches Erlebnis machen möchte, muss dabei selbst viel Arbeit investieren. Die Autoren geben meist nur Tipps und Hinweise, wie das Abenteuer so frivol und ausschweifend gestaltet werden kann, dass es für die jeweilige Heldengruppe geeignet ist. Eure Spieler haben Spaß an erotischen Szenen und wollen sie gerne am Spieltisch auswürfeln? Bitte, können sie machen. Einfache Regeln dafür sind vorhanden. Oder will man derartige Szenen lieber mit Humor entschärfen und umschiffen? Auch dafür findet man reichlich Tipps und Empfehlungen. Wem das alles zu schräg ist und an Heldensex keinen Spaß findet, muss diesen (für das Abenteuer sehr unwichtigen) Teil des Abenteuers aber auch komplett ignorieren und sich allein auf die hochspannende Geschichte konzentrieren. Denn die hat es wahrlich in sich!

Das Spielgefühl

Hinter dem verruchten Schutzumschlag steckt nämlich eine Sammlung von einzeln eher vorhersehbaren, in ihrer Vermischung aber sehr interessanter Handlungsstränge, die allesamt mit dem übergeordneten Thema Jugend und Vergänglichkeit spielen. Alle Aufgaben der Helden drehen sich um dieses zentralen Kern, und Dank der gut ausgearbeiteten Charaktere und Ereignisbeschreibungen wirken sie auch fast nie aufgesetzt oder an den Haaren herbeigezogen. Die zentrale, streng geheime Geschichte, die Auslöser für alle anderen Ereignissen ist, kann und darf nicht enthüllt werden, da mit ihr der gesamte Spielspaß und Reiz des Abenteuers steht und fällt. Wenn im finalen Endkampf die letzten Geheimnisse aufgeklärt werden, sollte an jedem Spieltisch ein kollektives Erstaunen herrschen, das kein Spieler so schnell vergisst.

Das Abenteuer lebt davon, dass die Bardo-Therme eine riesige, ausgefallene Sandbox ist, die für Meister und Helden viel Raum für Improvisation lässt. Damit meine ich nicht, dass das Abenteuer den Großteil der Arbeit dem Meister überlässt. Im Gegenteil: So ziemlich jede mögliche Aktion der Helden haben die Autoren vorausgeahnt und anhand unzähliger Hinweise und Anregungen unterstützt. Es ist eigentlich egal, ob die Helden sich durchkämpfen oder durchrätseln, wild herumvögeln oder züchtig gesittet das wilde Treiben beobachten; sie können sich alleine den Gegnern stellen, können Meisterpersonen (sogar Gegner!) für die Kämpfe rekrutieren, oder sogar den Sandkasten verlassen und Hilfe von außen holen. Sie können versuchen, sich Waffen zu besorgen oder aus den unzähligen vom Abenteuer gestellten Gegenständen improvisierte Waffen machen. Die Autoren haben an alles gedacht!

Niemand wird gezwungen, alle einzelnen Handlungsstränge zu entwirren. Ob die Befreiung von Selinde Korninger gelingt, hängt von ihrer Heldengruppe ab. Es ist für ein schönes Spielerlebnis aber auch nicht wichtig, da mit den anderen Handlungssträngen noch genügend andere Probleme zufriedenstellen gelöst werden wollen. Kaum eine Heldengruppe wird alle Ereignisse durchspielen, alle angebotenen Möglichkeiten ausschöpfen, alle Meisterpersonen kennenlernen können. Das soll sie auch gar nicht: Das Abenteuer macht keinen Hehl daraus, dass der Meister sich für seine Spielertruppe (die nur er am Besten kennt) die Rosinen herauspicken soll, um so das bestmögliche Spielerlebnis zu erzeugen.

Das Fazit

In meiner gesamten Zeit als Meister (seit über 25 Jahren) kann ich mich an kein Abenteuer erinnern, auf das ich mich so gefreut habe, und dessen spektakulären Ende ich so entgegengefiebert habe. Trotz eines anfänglich eher gemächlichen (oder langweiligen?) Einstiegs war auch meine Spielertruppe sehr engagiert dabei und konnte sich an den gebotenen Rätselketten schön austoben. Als dann die Handlung endlich in Schwung kam, beginnt die lange Einarbeitung sich auszuzahlen, denn alle Puzzlestücke ergeben dann eine komplexe Handlung mit tollen Aha-Momenten. Ob es nun das beste Abenteuer war, dass ich jemals gespielt habe, vermag ich nicht zu sagen - aber es ist sicherlich ganz vorne mit dabei! Es war mitreißend, lustig, überraschend, anders, und selten fühlte ich mich von einem Abenteuerband so gut in meiner Aufgabe unterstützt.

Aber machen wir uns nichts vor: Die Orgie in den Thermen ist nichts für Einsteiger, und fordert dem Meister so einiges ab. Eine gründliche Lektüre der umfangreichen Texte ist zwingend erforderlich, und selbst dann kann man von Zeit zu Zeit die Übersicht über mehr als 50 Räume und 200 Meisterpersonen verlieren. Wer sich aber auf diese Herausforderung einlässt, wird mit einem der schönsten und denkwürdigsten Abenteuer der letzten Jahre belohnt. Wer hätte gedacht, dass man in den Namenlosen Tagen soviel Spaß haben könnte!

Das Abenteuer Namenlose Nacht (152 Seiten, 2014) ist in der Druckversion vergriffen und nur noch zu horrenden Preisen (bis zu 450€!) bei eBay zu finden. Die PDF-Version kann bei Ulisses gekauft werden.

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