Aventurisches Internet

Informationsbeschaffung in Aventurien und im Internet haben viel gemeinsam: Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, um das in Erfahrung zu bringen, was einen interessiert. Und manche Methode ist effizienter als andere. Die vier Helden und der Schelm erklären, wie's richtig geht!
Rechtlicher Disclaimer: Alle im Folgenden geäußerten Thesen sind rein subjektiv und erheben keinen Anspruch auf die alleingültige Wahrheit. Dennoch hoffen wir so viele fehlgeleitete Seelen wie möglich zum rechten Weg zu bekehren. Wer sich in seinen Surfgewohnheiten persönlich angegriffen fühlt, möge uns bitte verzeihen: Es ist alles nicht so ernst gemeint wie es klingt!

Der Auslöser

Als ich im letzten Monat in der Umfrage die Frage stellte, wie sich der durchschnittliche Blog-Leser im Internet seine täglichen Informationshäppchen abholt, konnte ich noch nicht ahnen, wie ernst die Lage sein würde. Klar, der Großteil der Teilnehmer kam von Facebook, weil ich mit gierigem Blick auf die dortigen Forumsgrößen meine Leserschaft um jeden Preis vergrößern wollte.

Diese Frage war der Ausleser meines Entsetzens

Das führte aber logischerweise auch zu dem erschreckenden Ergebnis, dass 70% aller Teilnehmer ihre Informationen hauptsächlich über Facebook beziehen. 27% schauten lieber persönlich auf den relevanten Webseiten vorbei (etwas mehr, wenn man die Einzelmeldungen für Nandurion, rsp-blogs etc. berücksichtigt), 11% haben einen Feedreader in Betrieb, und 8% bemühen Twitter für ihre Informationsbeschaffung. Ach ja: 3 Personen lassen sich noch Newsletter schicken, und 6 Personen behaupteten, sich auf Brieftauben zu verlassen.

Und was ist nun der Skandal an diesen Zahlen? Nicht die Gesamtsumme, die weit über 100 Prozent liegt, denn schließlich waren Mehrfachnennungen möglich. Nein, der Skandal liegt ganz woanders, wie ich mit den folgenden Beispielszenarien aus dem aventurischen Alltag erläutern möchte.

Szenario 1: Die Gerüchteküche

Es war laut in der Fuchshöhle, als Jendar den stickigen Schankraum betrat. Er bahnte sich einen Weg durch die angetrunkenen Gäste, holte sich beim Wirt einen Humpen wässriges Bier, und machte es sich an die Theke gelehnt halbwegs bequem. Es würde ein langer Abend werden: Unauffällig dem Geschwätz der Zecher lauschen, hier ein Gerücht aufschnappen, da eine Information mithören. Er würde so manchen Krug spendieren müssen, sich mit dem widerlichsten Gesindel abgeben, seinen ganzen Charme brauchen, um die Leute zum Reden zu bringen. Manche Gerüchte würden er dreimal, viermal, fünfmal hören, und damit vielleicht die eine wichtige Information, wegen der er hier war, verpassen. Aber es half nichts: Er musste in Erfahrung bringen, auf welchem Schiff die Gefangenen abtransportiert werden würden. Jendar seufzte: Es würde eine lange Nacht werden!

Szenario 2: Die unruhige Nacht

Egtorio musste ein Fluchen unterdrücken. Bereits zum dritten Mal in dieser Nacht musste er aus dem Bett springen, sich die Hausschuhe überziehen und die kalten Gänge zur Eingangshalle entlangstapfen. Das wird doch bestimmt wieder... ja, ein weiterer Bote. Ja ja, gebt her, Eure Nachricht, wir wissen Bescheid. Grummelnd drückte er dem Kurier eine Kupfermünze in die hingehaltene Hand, und warf die schwere Eichentür zu. Bei Boron, warum mussten alle diese Nachrichten, die die Herrschaft angefordert hatte, immer zu dieser nachtschlafenden Zeit ankommen? Gewiss, die Comtessa hatte schnellstmöglich alle Informationen über die Situation in Arivor angefordert, aber konnten diese verdammten Boten sich nicht etwas absprechen? Für jede einzelne Nachricht musste er aus dem Bett... da, es klopft schon wieder! Wollen sie ihm denn gar keinen Schlaf mehr gönnen? Leise vor sich hinfluchend machte Egtorio kehrt und stapfte zurück zur Eingangshalle.

Szenario 3: Auf Schusters Rappen

Im letzten Moment konnte Darios dem Pferdefuhrwerk ausweichen und beiseite springen. Diese von allen Zwölfen verlassene Stadt! Wir müssen so schnell es geht weg von hier! Die Expedition war schon lang genug aufgehalten worden! Aber noch müssen wir warten. Und durch die Stadt latschen. Und ständig überall nachfragen! Beim Hafenmeister, ob es schon Nachrichten von unserer Schivone gibt. Beim Proviantmeister, wann die fehlenden Ausrüstungskisten aus Mengbilla eintreffen werden. Im Efferdtempel, um vom hiesigen Priester die Information zu erbetteln, wann uns die Winde gewogen sein mögen. Beim Magistrat, der uns vielleicht endlich sagen kann, ob diese vermaledeite Dämonenarche wieder irgendwo gesichtet wurde. Soll ich danach auch noch rüber zur Taverne laufen, um zu fragen... nein, es reichte, seine Füße taten bereits weh. Darios hatte das Gefühl, die Stadt schon viele Hundertmal zu Fuß durchmessen zu haben. Und erst jetzt merkte Darios, dass er beim Sprung zur Seite in einem großen Haufen Pferdemist getreten war.

Szenario 4: Das Artefakt

Tasfaralia kniff die Augen zusammen, um sich besser auf das verwirrende Rauschen in ihrem Kopf konzentrieren zu können. Einzelne Wörter, Satzfetzen konnte sie erkennen, doch das große Ganze blieb ihr verborgen. Ihre Hände klammerten sich fester um das seltsame Artefakt. Die alten Schriften hatten versprochen, dass sie die Gedanken aller Menschen würde lesen können, wäre sie doch nur im Stande dem Artefakt ihren Willen aufzuzwingen. Ich muss mich konzentrieren! Wieder einzelne Worte... "...wird Rohaja bis zum Winter...", "...in den Trollzacken fand ich...", "...möge Hesinde dafür sorgen...", "...astrabul inorbitans covfefe...". Frustriert ließ Tasfaralia das schwarz-glänzende Artefakt auf die Tischplatte fallen. Es war unmöglich! Mehr als einzelne kurze Sätze und Bilder waren nicht zu erkennen. Ihr brillanter Plan die Weltherrschaft an sich zu reissen, drohte schon an diesem nichtigen Problem zu scheitern! Nein, das konnte nicht sein! Frustriert schlug Tasfaralia mit der Faust auf den Tisch.

Szenario 5: Mahlzeit!

Mit zittrigen Fingern rollte Delo das kleine Stück Pergament zusammen und schob es in die kleine Metallhülse, die bereits am Bein der Taube befestigt war. Er durfte sich jetzt keinen Fehler erlauben, denn dieses abgemagerte Tier war seine letzte Brieftaube, und damit die letzte Möglichkeit, die Kaiserin über den bevorstehenden Angriff von Haffax zu informieren. Sollte diesem Tier etwas zustoßen, wäre das gesamte Mittelreich verloren! Mit einem letzten Kuss auf die Stirn des Tieres und einem kurzen Stoßgebet an alle Zwölfe, ließ er die Taube in den Abendhimmel steigen. Nach wenigen Augenblicken war sie hinter den Bäumen verschwunden. Als er wieder ins versteckte Lager zurückkehrte, hatten seine Gefährten schon das Lagerfeuer entzündet, mit möglichst trockenem Holz, um dem Feind nicht ihre Position zu verraten. Delo hatte es sich gerade am Feuer bequem gemacht und starrte nachdenklich in die Flammen, als Toralin aus dem Wald auftauchte. "Ich habe uns etwas zum Abendessen geschossen!" sagte er stolz, und präsentierte den Pfeil, der die Taube genau durch den Hals getroffen hatte...

Szenario 6: Der Reichsgroßgeheimrat

Rondrigan Paligan lies sich in seinen Sessel fallen und nahm die bereitliegende Akte zur Hand. Endlich hatte er Zeit, sich um die Berichte seiner Agenten zu kümmern. Jederzeit waren seine Spione in allen Winkeln des Reichs (und darüber hinaus!) unterwegs, um für ihn stets die neuesten Informationen zu sammeln und schnellstmöglich zu ihm zu senden. Seine Sekretäre sammelten die ständig eintreffenden Depeschen in einer Mappe, die stets auf seinem Schreibtisch auf ihn wartete. Von manchen Berichten überflog er nur die kurzen Zusammenfassungen, andere merkte er sich durch eine kurze Markierung mit dem Gänsekiel für später vor. Tobrien, Maraskan, Al'Anfa, Vinsalt - stets war er über jeden Konflikt, jede Intrige, jedes Gerücht so gut informiert, als ob er selbst dort gewesen sei. Paligan schmunzelte - wie froh er war, sich nicht selbst um die Informationsbeschaffung kümmern zu müssen, sondern diese Aufgabe in zuverlässigen Händen zu wissen. Zufrieden mit der Arbeit seiner Leute blätterte er auf die nächste Seite...

Erläuterung

Jetzt denkt sich wohl jeder: Nett geschrieben, da hat sich jemand viel Mühe gegeben. Aber was möchte er uns damit sagen? Gehen wir die einzelnen Geschichten mal der Reihe nach durch:

Das Lauschen in der Taverne im Szenario Gerüchteküche repräsentiert offensichtlich Facebook: Jeder Bekannte und jede Webseite, der ich folge, wird ohne jede erkennbare Ordnung in einen endlos langen Stream von Posts gestopft (entspricht hier den Geschichten und Gerüchten, die in der Kneipe aufgeschnappt werden können), aus dem sich dann der geneigte Leser die relevanten Beiträge heraussuchen darf. Dabei können manche Beiträge sehr prominent nach oben rutschen, während andere willkürlich nach unten in den Stream rutschen und somit nur noch von sehr ausdauernden Lesern wahrgenommen werden. Wer mehrmal am Tag seinen Stream öffnet, wird auch immer wieder die selben Beiträge sehen, wenn sich dort etwas geändert hat. Das ist nervig, undurchsichtig und mindert die Lust weiterzulesen. Vom allseits bekannten Problem der Filterblase ganz zu schweigen.

Das Szenario Die unruhige Nacht sollte den Erhalt eines Newsletters nachbilden: Man möchte Informationen erhalten, und bestellt diese Informationen an seine persönliche Adresse. Im Push-Verfahren werden dem Benutzer die Informationen dann als Nachricht zugestellt, wobei man nie weiß, wann die Nachricht kommt. Wer mitten in der Nacht mehrere Nachrichten auf sein nicht stumm geschaltetes Handy bekommt, weiß wie nervig das sein kann. Nachts um drei Uhr möchte man halt meistens keine Nachrichten lesen! Und dutzende Newsletter, die den Posteingang verstopfen, möchte auch niemand haben.

Auf Schusters Rappen kommt das Besuchen von Webseiten daher. So hat damals das Internet angefangen: Wer Informationen haben wollte, schaute auf der jeweiligen Webseite vorbei. Das funktionierte auch wunderbar, bis das Internet zu einem alltäglichen Informations-Medium wurde, in dem im Minutentakt Änderungen anlaufen können. Wer auf dem Laufenden bleiben will, muss sehr häufig auf den jeweiligen Seiten nachsehen, und wer sich aus den verschiedensten Informationsquellen mit Nachrichten versorgen lassen will, muss entsprechend viele Seiten abklappern. Da das den meisten irgendwann zuviel Arbeit ist, hat man dann nur noch eine Handvoll Seiten, die man täglich besucht, und ein paar Dutzend Seiten, auf den man sporadisch vorbeischaut. Die Gefahr, dabei aktuelle Änderungen zu verpassen oder sich zu einseitig zu informieren ist groß.

Das seltsame Artefakt in Szenario 4 soll eine Hommage an Twitter sein: Hinz und Kunz schicken 140-Zeichen-Nachrichten mit all dem, was dem jeweiligen Autor gerade so durch den Kopf geht. Stream of consciousness Nachrichten sozusagen. Zu was das führen kann, hat der amerikanische Präsident in den letzten Monaten eindrucksvoll bewiesen. Sicher kann man sich über Twitter über so manche Neuigkeit informieren lassen. Aber als alleiniges Informationsmedium sind Tweets meiner Meinung nach zu sporadisch, zu heterogen, zu unzuverlässig, mit zuviel Grundrauschen versehen, zu anstrengend.

Gut, das Szenario Mahlzeit können wir sehr knapp zusammenfassen: Brieftauben sind zu unzuverlässig!

Und nun, zu guter Letzt, kommt die Königsdisziplin der Informationsbeschaffung: Der Newsfeed! Genau wie der Reichsgroßgeheimrat haben wir es heutzutage doch gar nicht mehr nötig, uns unsere Informationen selbst zusammenzusuchen, oder darauf zu warten, dass andere die wichtigsten Nachrichten irgendwo erwähnen. Stattdessen wirft der moderne Reichsgroßgeheimrat einfach seinen Feedreader (z.B. Feedly, The Old Reader, Inoreader, Thunderbird, etc.) an und liest seine Nachrichten. Eine nach der anderen. Meist wird nicht der gesamte Nachrichtentext, sondern nur eine Zusammenfassung angezeigt, sodass man unwichtige Nachrichten schnell überspringen kann. Keine Nachricht kommt doppelt, alle kommen in der Reihenfolge des Empfangs. Der Großteil aller guten Webseiten bietet einen ATOM- oder RSS-Newsfeed an, dessen URL einfach in den Feedreader kopiert wird. Fertig! Feeds lassen sich in den meisten Feedreadern zu Themen gruppieren, meist können interessante Beiträge auch für später gemerkt werden. Ich selbst habe in Feedly mehr als 500 Feeds abonniert, sodass ich direkt über die Feedly-Webseite die Tagesschau, den Bild-Blog, die Ulisses-Nachrichten, den WDR-Hörspiel-Podcast, den Heise-Ticker und die WAZ-Nachrichten für Bochum, Essen, Witten und Hattingen bequem nebeneinander lesen kann. Selbst Seiten, die nur alle paar Monate eine Aktualisierung posten, habe ich immer sofort in meinem Stream und kann sie nicht verpassen. Auch auf dem Handy entgeht mir in der U-Bahn keine Nachricht. Wer unbedingt will, kann sich mit entsprechenden Tools auch Twitter-Nachrichten oder Facebook-Streams als RSS-Feed anzeigen lassen. So bin ich über jedes #covfefe nach wenigen Minuten informiert!

Der Appell

Man sieht: Es gibt meiner Meinung nach eigentlich keinerlei Grund keinen Feedreader zu benutzen. Mir ist ehrlich gesagt auch vollkommen schleierhaft, wie man ohne Feedreader das Netz sinnvoll nutzen kann. Sicherlich ist ein Leben ohne Feedreader möglich, aber: Macht es auch Spaß?

Daher appelliere ich an alle meine Leser da draußen: Seid schlau, abonniert den Feed! Macht Euer Leben lebenswerter! Und helft mit, dass endlich alle den Sinn hinter ATOM und RSS verstehen, und diese höchst sinnvollen Techniken endlich die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Denn Facebook, Twitter und Google+ versuchen mit aller Macht, den Feedreader totzuschweigen, um mehr Seitenaufrufe zu erhalten. Bitte lasst RSS nicht sterben! Ich möchte, dass auch meine Tochter in zehn Jahren noch den Sendung mit der Maus Feed abonnieren kann!

Danke, dass Ihr so lange mitgelesen habt, und ich hoffe, ich bin niemanden zu nahe getreten. Selbstverständlich freue ich mich über jeden Leser dieses Blogs, egal ob er über RSS, Twitter, Facebook oder per Brieftaube kommt. Aber über RSS-Feed-Leser freue ich mich noch ein bisschen mehr...

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