Buchrezension: Blaues Licht

Bjaldorn im Jahr 371 BF. Der oberste Firun-Geweihte wird brutal ermordet. Schlechte Ernten plagen das Land. Der von den Priesterkaisern entsandte Regent will im obersten Firuntempel seinen eigenen Schrein errichten. Ein Räuber auf der Flucht muss sich als Firun-Geweihter ausgeben. Und wird nebenbei zum größten Heiligen des Wintergottes. Aber was hat Rambo damit zu tun?


Die altbekannte Spoiler-Warnung vorweg: Wer das Buch selbst noch lesen und sich überraschen lassen möchte, sollte besser erst im Fazit weiterlesen. Es wird zwar nicht jedes Geheimnis der Haupthandlung offenbart, aber genug, um dem ein oder anderen den Spaß an der Geschichte zu vermiesen!

Blaues Licht?

Ich muss zugeben: Als ich den Entschluss fasste, mir endlich alle fehlenden DSA-Romane zu kaufen und nach und nach zu Gemüte zu führen, entschied ich mich nur deshalb als eines der ersten Bücher für "Blaues Licht" von Daniela Knor, weil ich an das berühmte(?) Zitat aus Rambo 3 erinnert wurde. Und wissen wollte, ob der Titel etwas mit Rambos blauem Licht zu tun hat. Naheliegende Frage, oder?

Gute Erklärung!

Der Inhalt

Also nahm ich mir den - für DSA-Verhältnisse - eindrucksvoll dicken Band zur Brust. Stolze 500 Seiten lang führt uns Frau Knor durch das eisige Bornland. Wir lernen das Leben in der abgelegenen Stadt Bjaldorn kennen, in der jeder jeden zu kennen scheint. Der Baron ist im Kampf gegen die Priesterkaiser gefallen, sein 14-jähriger Sohn muss unter der Knute des stolzen Praios-Geweihten und eingesetzten Regenten Illumian aufwachsen. Als der Weisse Mann, der oberste Firun-Geweihte, brutal ermordet wird, wird sein Platz von dem jungen Mikail eingenommen. Was niemand weiß: Mikail ist im Kampf gegen Räuber gefallen; seinen Platz nahm stattdessen der junge Räuber Henk ein, der dem Firun-Geweihten zum Verwechseln ähnlich sieht...

Ganz schön hochgebirgig im ach-so-waldigen Bjaldorn

Wir erleben Raubüberfälle und Hinrichtungen, kämpfen gegen Waldschrate und Meuchelmörder, gegen Hunger und Kälte, Firunbären und Mammuts, trinken norbardischen Tee und den berühmten "Bjaldorner Waldschrat", freuen uns über den jungen und enthusiastischen Bjala und ärgern uns über seinen verstockten Oheim. Bis Mikail endlich das Geheimnis der Ritualmorde lüften kann, sind wir ihm viele Tagesmärsche durch den finsteren Nornja-Wald gefolgt, haben gejagt und mit ihm gekämpft, mit ihm über die Mysterien des Rings gerätselt und gelitten, wenn er wieder von einer Frau enttarnt zu werden drohte. Und uns gefragt, wie ein Firun-Hochgeweihter nur so ein zugängliches Plappermaul sein kann...

Die Atmosphäre

Schon nach den ersten Seiten wird der Leser schnell vom harten Leben im winterlichen Bornland umschlossen, spürt den Schnee unter den Füßen der Protagonisten knarzen, folgt ihnen gerne auf so manchen Jagdausflug. Die Charaktere sind durchweg menschlich und sympathisch getroffen, die wenigen Bösewichte ausreichend gut motiviert, wir lassen uns gerne vom Schicksal der Charaktere durch die Geschichte treiben.

Als es in der Mitte des Buches zum Kräftemessen zwischen Mikael und dem Praiosgeweihten um einen Schrein im Firuntempel kommt, und sich ganz Bjaldorn auf die Seite des guten Mikael schlägt, liest sich das Buch als hätte Ken Follett beratend zur Seite gestanden. Wir leiden mit den Charakteren, freuen uns über ihre Erfolge und wollen stets wissen, was sich nun eigentlich hinter der mysteriösen Mordserie verbergen mag.

Die Probleme

Leider sind einige der durchaus spannend beginnenden Handlungsfäden nur Mittel zum Zweck, und werden nicht so zufriedenstellen aufgelöst, wie es sich der Leser erhoffen mag. Ist Firunjew der beim Überfall der Bärenbande getrennte Zwillingsbruder von Mikail? Steckt wirklich nicht mehr hinter dem wütenden Waldschrat als das nicht getrunkene Verbrüderungs-Schnäppschen? Warum wollte Illumian unbedingt den Schrein im Firuntempel errichten? Und warum hat er seine Ziele nicht entschlossener verfolgt? Warum mussten die beiden Geweihten sterben, die alte Peraine-Geweihte, die alleine in ihrer Hütte hockt, aber nicht? War die Hungersnot Folge der düsteren Rituale, die in Bjaldorn gewirkt wurden, war es eine Prüfung Firuns oder nur ein Zufall? Warum gilt Mikail als der größte Heilige der Firun-Kirche, wenn seine größten Leistungen im Buch das Töten zweier Bären, einiger Auerochsen und Mammuts waren? Warum müssen unbedingt alle drei vom Ring getriebenen Jagdausflüge im Detail beschrieben werden?

Das Fazit

Diese und weitere Fragen stellten sich aber erst am Ende des Buches. Bis dahin habe ich die Geschichte um Henk, Marissja und all die anderen durchweg genossen, und fand, dass die Seiten viel zu schnell vorbeiflogen. Gerne hätte ich noch mehr Zeit mit den Geweihten verbracht, hätte gern gesehen, wie der junge Baron Bjala weise sein Volk regiert, hätte mit dem pflichtbewussten Hauptmann Kelschoff ein Gläschen im Wirtshaus getrunken, hätte mit Mikail bei Hexe Alinja ein Stück Kuchen gegessen. Leider hat Daniela Knor mit ihrem Roman bewiesen, dass 500 Seiten viel zu kurz sein können.

Auf ihrer Webseite gibt die Autorin zu, dass sie ein Buch über Mikail von Bjaldorn schreiben wollte, weil über ihn und seine Zeit so wenig bekannt ist, und sie daher so frei wie möglich von aventurischen Setzungen schreiben konnte. Wer daraufhin spektakuläre Wunder und epische Verschwörungen erwartet, die eines Heiligen würdig sind, könnte vielleicht etwas enttäuscht werden. Aber wahrscheinlich wäre das auch nicht der Wille des wortkargen Gottes Firun. Wer aber eine kleine bornische Geschichte mit lebendigen Charakteren lesen möchte, ist im priesterkaiserlichen Bjaldorn sehr gut aufgehoben.

Die Auflösung

Ach ja: Was genau hat es denn nun mit diesem titelgebenden Blauen Licht auf sich? Na, ganz einfach:

Es leuchtet blau.

Das Buch "Blaues Licht" von Daniela Knor ist in der 2. Auflage von 2008 immer noch bei Amazon oder direkt im F-Shop von Ulisses verfügbar.

Kommentare

  1. Ich fand den Roman eher so lala. Die Geschichte plätschert dahin, die Auflösung ist nicht wirklich überraschend bzw. macht, sofern man doch überrascht ist, keinen rechten Sinn, es plätschert viel dahin, und alle großen Fragen und Rätsel werden nicht wirklich beantwortet. Der Subtext müsste eigentlich "die Jugendjahre eines Heiligen" sein, wobei praktisch alles, was ihn irgendwann zum Heiligen macht, ausgespart wurde.

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