Spielbericht: Die Nacht der geifernden Mäuler (Teil 1)

Das Leben des Barons von Retogau könnte so entspannt sein, wären da nicht all diese nervigen Bittsteller. Und die leeren Kassen. Da ist man froh, wenn man der Bitte des durchreisenden Boron-Priesters nachkommen kann, um im kleinen Weiler Notacker nach dem Rechten zu sehen. Der örtliche Boronsanger muss neu gesegnet werden, um die marodierenden Ghule zu vertreiben. Aber irgendwas stimmt nicht mit diesem Dorf. Unsere Helden beginnen sich umzusehen...

Wer weiterlesen will, sei gewarnt: Nicht nur können die im Folgenden beschriebenen entsetzlichen Ereignisse bei zartbesaiteten Gemütern für schlaflose Nächte sorgen, nein, zudem enthält dieser Text unzählige Spoiler auf das Abenteuer Die Nacht der geifernden Mäuler aus der Anthologie Dämmerstunden, und ist somit nicht für Spieleraugen gedacht. Die Handlung wurde aus der Warunkei des Jahres 1032 nach Garetien verlegt. Außerdem wurde der Abenteuertitel aufgrund von Spoilergefahr vor den Spielern geheim gehalten.

Der Einstieg

Baronie Retogau, im Praios 1029 BF. Das Jahr des Feuers und die Namenlose Nacht liegen hinter uns, neue Heldentaten sind noch nicht in Sicht, und so wollen unsere drei Abenteurer erstmal entspannen und die eigene Baronie in Augenschein nehmen. Farsijian aus Syneggyn, der frisch ernannte Baron zu Retogau, und seine beiden treuen Gefährten Bruder Torjan aus Joborn (ehemaliger Holzfäller, jetzt Boron geweiht) und der grummelige Auelf Toralin Nachtgesang haben die letzten zwei Wochen auf dem heruntergekommenen Jagdschlösschen Falkenruh verbracht, um ihre Wunden zu kurieren und das süße Nichtstun zu genießen. 
Dieses spoilernde Cover sollte man vor den Helden eher geheimhalten

Doch so einfach ist das nicht: Die Baronie ist, wie alle anderen Ländereien Garetiens auch, vom Jahr des Feuers ausgezerrt, die sonst so vollen Kassen sind durch den harten Winter und die Plünderungen von gleich zwei kaiserlichen Armeen geleert. Tagelang muss Baron Farsijian mit Burgvogt Odilbert Oldenport die Bücher wälzen und den Klagen der bittstelligen Bauern lauschen. Schon beginnt der Baron von seiner schönen Heimat Maraskan zu träumen, als ein neuer Gast in Falkenruh erscheint: Bruder Boronifatius, Geweihter des schweigenden Gottes, bittet um eine Unterkunft und erzählt beim Abendessen den Grund für seine Durchreise.

Die Vorgeschichte

Vor einigen Wochen schlug sich ein einzelner Golgarit namens Boronion Durenfelt durch die Wildermark, ausgesandt vom Kloster Sankta Boronia an der Trollpforte, um Kunde von der Lage des Klosters zum Boron-Tempel nach Gareth zu bringen. Sein Weg führte ihn in das kleine Örtchen Notacker, das eine halbe Tagesreise nördlich in den Hügeln an der Nordgrenze der Baronie liegt. Kurz bevor er den Ort erreichte, wurde der Golgarit von einer Handvoll Ghule attackiert und konnte nur mit göttlichem Beistand entkommen. In Notacker erfuhr er, dass diese Ghule schon seit einiger Zeit die Umgebung unsicher machen, aber im Dorf selbst sei man vor ihnen sicher. Das Dorf war einige Monate in der Hand der aus der Schlacht um Gareth geflohenen Nekromanten, die auf der angrenzenden Burg Kaltenstein hausten. Die Dorfbevölkerung wurde unterdrückt, nur noch die Hälfte lebt. Vor einigen Wochen haben die Bösewichte das Dorf verlassen - vermutlich aus Angst vor der in der Schlacht der drei Kaiser siegreichen Rohaja. Der Boronsanger aber war entweiht und in jämmerlichem Zustand. In Gareth beschloss man, einen Priester zu entsenden, um den Friedhof neu zu weihen und den armen Seelen Ruhe zu schenken.

Als Bruder Boronifatius Baron Farsijian um die Erlaubnis bittet, zu diesem Zweck nach Notacker reisen zu dürfen, und ihm vielleicht ein oder zwei Schwerter als Eskorte zu leihen, lässt sich Farsijian nicht zweimal bitten: Höchst persönlich erklärt er sich bereit, Bruder Boronifatius mit seinen beiden Freunden zu begleiten. Eine gute Möglichkeit, seine Ländereien kennenzulernen - und den langweiligen Steuerschätzungen des Burgvogtes zu entkommen. Auch Bruder Torjan ist froh, den erfahrenen Priester begleiten, mit ihm zu fachsimpeln und von ihm noch eine Menge lernen zu können. Elf Toralin kommt aus Langeweile mit - nach zwei Wochen Falkenruh sehnt er sich nach Abwechslung. Und Ghule und geschändete Friedhöfe klingen interessant!

Die Anreise

Und so macht sich unsere Truppe am nächsten Morgen zu Pferde auf den Weg nach Norden. Ihr Weg führt sie durch saftige Felder und Wiesen, die Sonne strahlt hell herab. Schnell versucht Bruder Torjan seine beiden profanen Begleiter in theologische Grundsatzdiskussionen zu verwickeln, stößt aber sowohl beim Maraskaner als auch beim Elfen auf taube Ohren.

Das Dorf und die benachbarte Feste Kaltenstein sind schon fast in Sicht, als unsere Truppe auf einen Wagen stößt, beladen mit Leichen, und umringt von sechs Ghulen. Schon werden Khunchomer, Langbogen und Rabenschnabel ausgepackt, und einige Kampfrunden später liegen noch mehr Leichen herum - Boron und Rondra so Dank aber nur die von Ghulen. Alle Helden (und Boronifatius) haben einige Wunden einstecken müssen. Wollen wir hoffen, dass sich niemand mit Ghulgift infiziert hat. Unter dem Wagen entdecken die Helden den stark zurückgebliebenen Dragomir, der die Leichen anscheinend nach Notacker bringen wollte, als er von den Ghulen attackiert wurde.

Das Dorf

Die Helden begleiten ihn ins Dorf, wo sie von der Dorfbevölkerung misstrauisch beäugt werden. Eine alte Frau rennt schreiend vor ihnen ins Haus und verriegelt die Tür. Da der junge Baron dieses Gebahren für unziemlich und höchst unangemessen hält, werden sogleich der widerwillige Dorfbüttel und seine Handlanger angewiesen, alle Dorfbewohner zusammenzurufen, um ihren neuen Lehensherr zu begrüßen. Das Dorf scheint nicht begeistert zu sein, der Empfang der paar Dutzend Dorfbewohner fällt kühl aus.
Das Dorf Notacker in einer nachkolorierten Version

Als Baron Farsijian nachfragt, warum Dragomir die Leichen heranschafft, erzählt ihn der fette Dorfvorsteher und Großbauer Burgol Warunker, dass der Junge unter den Nekromanten als Totengräber und Leichenbeschaffer gearbeitet hat, und jetzt nicht mehr damit aufhört. Indigniert fordert Baron Farsijian, dieses götterungefällige Treiben sogleich zu unterbinden, und dem armen Jungen Arbeit zu geben, um ihm diese Flausen auszutreiben. Da sich niemand freiwillig meldet, muss Burgol den Zurückgebliebenen zähneknirschend bei sich arbeiten lassen. Wenn da mal nicht Konfliktpotential zwischen Dorfvorsteher und dem maraskanischen Jungadel besteht!

Die Leichname

Bruder Boronifatius will nun, wie erwartet, zuerst den Boronsanger besuchen, und zeigt sich bestürzt ob der Verwüstungen: Viele Gräber sind geschändet oder leer, eine bedrückende Atmosphäre liegt über dem einst geweihten Ort. Boronifatius und Torjan vertiefen sich sogleich in ein langes Gebet zu ihrem Herrn, um Frieden für diesen Ort zu erbitten.

Toralin und Farsijian unterhalten sich unterdessen in der halb verbrannten Schmiede mit dem sehr freundlich wirkenden Schmied Storko (ein begeisterter Imman-Spieler), der ihnen berichtet, dass der leicht tumbe Dragomir in einer verlassenen Scheune südlich des Boronsangers haust. Das ist auch der Ort, wo er immer die Leichen für die Nekromanten gehortet haben soll - daher nennt man diesen Ort auch die Knochenscheune. Die Helden beschließen, diesen Ort genauer in Augenschein zu nehmen. Zusammen mit Torjan und Boronifatius durchsuchen sie die Scheune, wo sich die Leichen stapeln. Der Geruch nach Tod und Verwesung ist abstoßend, selbst Bruder Boronifatius muss gegen die Übelkeit ankämpfen. Im Hinterzimmer entdecken sie morbide Konstrukte aus Knochen, Fleischskulpturen, und Leichenschnitzereien. Dragomir scheint ein verkappte Künstler mit sehr fragwürdigem Arbeitsmaterial zu sein.

Die Ermittlungen

Um herauszufinden, ob noch andere Leute im Dorf von diesen verabscheuungswürdigen Praktiken wissen, beschließen die Helden erstmal stillschweigend weitere Informationen einzuholen. Boronifatius und Torjan beginnen, die Leichname in der Scheune einzusegnen, während Toralin und Baron Farsijian jeweils auf eigene Faust das Dorf erkunden.

Farsijian lernt das kleine Mädchen Rephexa (genannt Phexy) kennen, die anscheinend als Waise lebt. Von Schmied Storko erfährt er, das erst ihre Mutter und dann ihr Vater Coswyn vor einigen Monaten gestorben sind; der Vater soll sich nach dem Tod der Mutter im Treppenhaus des eigenen Haus erhängt haben. Seitdem soll es im Haus spuken - und das Mädchen soll immer noch alleine in diesem Spukhaus wohnen!

Der Baron stattet dem angeblich so unheimlichen Haus einen Besuch ab - aber außer einer halb verfallenen Bauern-Wohnstube findet er keine Spuren. Was bei seinem miserablen Fährtensuchvermögen auch nicht weiter überraschend ist. Als er das vermeintliche Spukhaus verlässt, beobachtet er die Dorfschönheit Derya, die sich gerade mit diesem Krieger Rethis streitet. Worum genau es geht, wird nicht klar, aber der Name Petrina fällt mehrfach. Derya erspäht den Baron, und geht erhobenen Hauptes von ihrem Freund (?) zu Farsijian. "Oh, Herr Baron, Ihr habt aber starke Arme, darf ich Euch die Stadt zeigen..." Der Baron ist natürlich hoch zufrieden ob dieser attraktiven Fremdenführerin, und der geschasste Krieger bleibt wütend zurück.

Unterdessen schaut sich Elf Toralin im südlichen Teil Notackers um. Hier lebt der fette Dorfvorsteher Burgol im größten Hof, so mancher Arbeiter scheint auf seinen Feldern zu schuften. Alle anderen Dorfbewohner scheinen ausgemergelt zu sein, Kinder fangen Ratten und braten sie am Spieß. Zwei Bauernburschen schlachten eine Ziege, indem sie dem wild blökenden Tier alle Gliedmaßen abschlagen. Auf die Frage, ob diese Tötungsmethode nicht etwas unorthodox sei, wird nur erwidert: "damit sie nachts nicht zurückkommt!". Seltsame Menschen wohnen hier, denkt Toralin, und trotzdem gefällt es ihm hier ganz gut. Er setzt sich entspannt unter einen Baum und döst vor sich hin.

Kaum ist Derya außer Sichtweite des Kriegers Rethis, gibt sie dem Baron einen Abschiedskuss auf die Wange und verschwindet mit einer charmanten, aber offensichtlichen Ausrede. Der Baron nimmt's gelassen - so nett lässt man sich doch gerne als Ablenkung missbrauchen! Plötzlich sieht er den Krieger, der zielstrebig in den Wald läuft. Farsijian beschließt sich an seine Fersen zu heften, und folgt ihm unauffällig bis zu einer Stelle des Pfades, wo eine offensichtliche Fußspur in den Wald abzweigt. Der Krieger folgt dieser Spur - und Baron Farsijian folgt dem Krieger. An einer kleinen, steinigen Anhöhe enden die Spuren, und anscheinend sind weder Krieger Rethis noch der ihm unerkannt verfolgende Streuner-Baron in der Lage, sie wieder aufzunehmen. Nachdenklich kehrt Farsijian nach Notacker zurück. Merkwürdig - wen mag Rethis gesucht haben?

Die Festung

Die drei Helden und Priester Boronifatius treffen sich mit Einbruch der Dämmerung wieder am Dorfplatz und beschließen ihre Quartiere in Festung Kaltenstein zu beziehen. Die Wirtsfamilie begrüßt den Herrn Baron und seine Freunde sehr herzlich, und bereitet ihnen ihre Zimmer im alten Palas (wo die Dämonenpaktierer monatelang gehaust haben). Wirt Lennar, seine Frau Melanda und ihre beiden Söhne Osmar und Wulfried sind erst seit der Flucht der Paktierer vor einigen Wochen aus dem Dorf in die Burg gezogen, um hier den potentiellen Gästen standegemäße Unterkunft zu bieten.

Im Burghof treffen die Helden auf Zwerg Topax, der mit akribischer Besessenheit bemüht ist, eine alte Hornisse auf dem Torturm wieder fit zu machen. Leider fehlt ihm hierfür ein spezieller Schaftbolzen, den der frustrierte Zwerg nicht selbst herstellen kann. Die Helden haben aber kein sonderliches Interesse daran, sich als Hilfe anzubieten (um als Laufburschen für ihn zum Schmied zu rennen), und so wird der Zwerg noch weiter manisch weiterbasteln. Er verrät ihnen aber dennoch sein Geheimnis: Er hat bei Leonardo höchstpersönlich gelernt, ist mit der fliegenden Festung nach Gareth gekommen und konnte nach der verlorenen Schlacht hierher fliehen. Seit einem Unfall hat er einen minderen Agrimoth-Pakt geschlossen und muss nun unaufhaltsam basteln und bauen.

Der Mob

Als die Helden gerade darüber diskutieren, wie mit dem götterlästerlichen Grabschänder Dragomir zu verfahren sei (Bruder Toralin hält ihn für unzurechnungsfähig und daher unschuldig, Baron Farsijian will ihn für seine offensichtlichen Verbrechen bestrafen, und Toralin plädiert dafür ihn mitsamt seiner Scheune brennen zu sehen), sehen sie im Dorf einen von Bauer Burgol angeführten wütenden Mob, der den gefesselten Dragomir an der Dorflinde aufknüpfen will.

Sogleich sind unsere Helden zur Stelle - entgegen der Abenteuervorgaben aber nicht unbedingt, um den minderbemittelten Knochenhändler zu retten. Baron Farsijian sieht seine Lehensherr-Autorität untergraben, während Torjan und Boronifatius darauf beharren, dass hier die kirchliche Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat. Elf Toralin hingegen hat schonmal Strick und Fackel bereitgelegt.

Schließlich verkündet der Baron seine Entscheidung: Er werde Dragomir den Prozess machen und das Urteil in zwei Tagen verkünden, der Boron-Geweihte Torjan soll die Verteidigung übernehmen. Bis dahin sollen alle Beweise für und gegen die Schuld Dragomirs gesammelt werden. Und Bruder Boronifatius entscheidet zudem, dass morgen endlich die neuerliche Weihe des Boronsangers stattfinden soll.

Bettruhe

Und damit fallen die Helden endlich in den wohlverdienten Schlaf. Viele Fragen sind noch offen: Kann Dragomir für seine Taten verurteilt werden, obwohl er offensichtlich zu dumm ist sie zu verstehen? Warum ist uns Großbauer Burgol so unsympathisch? Was sucht Krieger Rethis im Wald? Warum trauen sich die Ghule nicht in die Stadt? Was hat es mit Phexy und ihrem angeblichen Eltern-Spuk-Haus auf sich? Was haben die Nekromanten in der Festung getrieben? Und überhaupt: Wie heißt eigentlich dieses Abenteuer, und warum will uns der Meister partout den Namen nicht nennen...?

Eine Antwort auf zumindest manche dieser Frage gibt es im zweiten Teil unseres Spielberichts zum Abenteuer "Die Nacht der geifernden Mäuler" von Dominic Hladek aus der Horror-Anthologie "Dämmerstunden". Das Abenteuer ist in gedruckter Form leider vergriffen, kann aber noch als PDF-Version erworben werden.

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