Spielbericht: Die Nacht der geifernden Mäuler (Teil 2)

Die Weihe eines Boronangers scheint eigentlich keine spannende Aufgabe für weitgereiste Abenteurer zu sein. Doch im abgeschiedenen Dörfchen Notacker gehen seltsame Dinge vor. Ghule treiben sich in den Wäldern herum, Leichen werden zu Kunstwerken verarbeitet, und plötzlich will ein wütender Mob den Dorfdepp lynchen. Was steckt hinter den mysteriösen Ereignissen - welche düsteren Hinterlassenschaften der Nekromanten warten darauf, von unseren Helden entdeckt zu werden?

Die im Folgenden beschriebenen düsteren Ereignisse entsammen dem Abenteuer "Die Nacht der geifernden Mäuler" aus der Anthologie "Dämmerstunden". Wer das Abenteuer als Spieler erleben möchte, sollte schnell seine Augen schließen und dann schleunigst etwas anderes machen als diesen spoilerversuchten  Spielbericht zu lesen. Wer wissen will, wie das Abenteuer begann, sollte zuvor Teil 1 lesen.

Die Zelle

Die Praiosscheibe erhebt sich nur widerwillig über die trostlosen Häuser von Notacker, und noch weniger Morgensonne fällt auf die düsteren Mauern der Feste Kaltenstein. Nachdem Baron Farsijian von Synnegyn zu Retogau die wütenden Dörfler beruhigt, und ihnen einen Prozess gegen den Gräber schändenden Dragomir versprochen hat, konnten unsere Helden sich zur Nachtruhe in die Feste zurückziehen, um sich von der strapaziösen Ankunft in Notacker zu erholen. Doch es bleiben nur zwei Tage Zeit, um genügend Beweise für (oder gegen?) Dragomirs Unschuld zu sammeln. Außerdem will eine Friedhofs-Weihe vorbereitet werden. Und auch das seltsame Verhalten mancher Dorfbewohner will untersucht werden. Keine Zeit zum Trödeln!

Der erste Weg führt unsere drei Helden hinunter in den Kerker, wo seit gestern Abend der Angeklagte Dragomir auf seinen Prozess wartet. Sicherheitshalber hat Baron Farsijian angeordnet, dass rund um die Uhr ein Dorfgardist auf den Gefangenen aufzupassen habe. Der Weg zum Kerker führt durch den Gewölbekeller, in dem auch das ein oder andere Weinfass lagert. Als sie zum Zellentrakt kommen, vernehmen sie schon von Weitem das tiefe, ruhige Schnarchen eines angetrunkenen Gardisten, der auf seinem Stuhl vor der Kerkerzelle eingeschlafen ist. Die Zelle selbst ist leer - Dragomir ist verschwunden.

Einen gezielt schmerzhaften Fußtritt später liegt der Gardist auf dem Boden, verwirrt, lallend und müde um Gnade winselnd. "Ich hatte Durst, Herr Baron, und hier unten gab es nur Wein... aua!" Baron Farsijian ist nicht erfreut über derartige Pflichtverletzung, und veranlasst, dass Gardist Wilem bis auf Weiteres selbst in die Zelle gesperrt wird, bis er sich eine angemessene Strafe für ihn erdacht hat.

Wie Dragomir aus der Zelle verschwinden konnte, ist rätselhaft. Eine Geheimtür ist nicht zu entdecken, das Schloss sieht unbeschädigt aus, und der Schlüsselbund hing außer Reichweite an einem Wandhaken. Durch das kleine Deckenfenster in den Burghof kann er auch nicht entkommen sein, sofern er sich nicht in einen Vogel verwandelt haben kann. Frustriert müssen sich die Helden eingestehen, dass sie ihren Angeklagten wohl verloren haben!

Spuren

Nach dieser enttäuschenden Entdeckung bricht der tatenhungrige Elf Toralin Nachtgesang in den Wald auf, um die Spuren zu untersuchen, die Farsijian gestern entdeckt hat, aber nicht weiter verfolgen konnte. Krieger Rethis war ihnen in den Wald gefolgt, so als ob er jemanden suchen würde. Der waldkundige Elf entdeckt zahlreiche Fährten: eine von einer langsam gehenden leichten Person (vielleicht einer Frau?), eine von einem kräftigen Mann, der mehrfach hin- und hergelaufen ist (vermutlich Rethis). Eine Spur scheint seinem Gefährten Farsijian zu stammen, führt sie doch zu einem Gebüsch, aus dem der Baron den suchenden Krieger beobachtet hat.

Toralin entdeckt aber noch zwei weitere, anscheinend frische Spuren: Die eines Vierbeiners (ein Hund? Ein Wolf?), und die eines kleinen Kindes (das Mädchen Phexy?). Toralin folgt den Spuren bis zu einem felsigen Hang, auf dem sich alle Fußspuren verlieren. Trotz seines elfischen Jagdgeschicks gelingt es auch dem Elfen nicht, die Spuren weiter zu verfolgen. Was mag hinter dieser merkwürdigen Massenwanderung durch den unwirtlichen Wald für eine Geschichte stecken?

Boron-Geweihter Torjan aus Joborn ist in der Zwischenzeit mit seinem Glaubensbruder Boronifatius zum Boronanger gezogen, um dort in tiefer Meditation das kommende Weiheritual vorzubereiten, das aus dem toten Stück Erde wieder einen heiligen Ort machen soll. Da Torjan erst seit wenigen Wochen sein Leben in den Dienst des Glaubens gestellt hat, muss er vom erfahrenen Priester Boronifatius noch eine Menge lernen.

Gerüchte

Auf der Suche nach Informationen über den entlaufenen Gefangenen begibt sich auch Baron Farsijian höchstselbst hinunter ins Dorf, um sich unter sein Volk zu mischen. Am Vielversprechendsten scheint dabei der redselige und scheinbar sehr freundlich Schmied Storko zu sein, der dem Herrn Baron auch heute bereitwillig Auskunft über das Dorf und seine Bewohner gibt.
Hinter den heruntergekommenen Häusern stecken noch viele Geschichten und Schicksale

Großbauer Burgol ist ein habgieriger und intriganter Mann, mit dem man sich im Dorf aber am besten nicht anlegen sollte. Cosgrim, der Vater von Phexy, hat vor seinem Tod für ihn gearbeitet, scheint sich dann aber mit ihm zerstritten zu haben. Als dann seine Frau bei den Bauarbeiten an der beschädigten Burgmauer (die von den Dörflern unter Aufsicht der Nekromanten mit Knochen repariert wurde) tragischerweise um's Leben kam, wurde der arme Kerl wahnsinnig und nahm sich ein paar Tage später das Leben. Seitdem lebt die kleine Phexy allein in dem Haus, von dem es heißt, dass dort seltsame Dinge vorgehen.

Auch Dragomir hat oft für Burgol gearbeitet und so manche Drecksarbeit für ihn erledigt. So musste Dragomir die Leiche von Phexys Mutter fortschaffen, und auch beim Tod von Burgols Ehefrau und seines Bruders war stets Dragomir schnell zur Stelle, um die Bewei... ähhh... Leichen zu beseitigen. Beweisen könne man natürlich nichts, aber im Dorf wird doch so einiges getuschelt!

Man sollte also mal das angebliche Spukhaus unter die Lupe nehmen! Gemeinsam mit Torjan und Toralin, die er zufällig am Dorfplatz wiedergefunden hat, macht sich Farsijian auf zum Haus Cosgrims.  Damit die kleine Phexy sich nicht heimlich davonstehlen kann (schließlich will man die Kleine zum Tod ihrer Eltern befragen), beschließt man sich aufzuteilen: Während Torjan und Toralin durch die Vordertür hineingehen, wird Farsijian sich durch den Garten anschleichen.

Das Geisterhaus

Torjan steigt als erster die knarzende Treppe zur Eingangstür hinauf, Toralin folgt ein paar Schritt hinter ihm. Vorsichtig öffnet Torjan die Tür und tritt in den Flur. Plötzlich geht alles ganz schnell: Hinter Torjan fällt die Tür ins Schloss, es wird schlagartig dunkler im Raum, eine Eisekälte fährt dem Boroni in die Glieder. Er versucht vergeblich die Tür wieder zu öffnen, doch plötzlich hört er ein Knarzen hinter sich. Langsam dreht er sich um. Im Dämmerlicht schaukelt ein halb verwester Leichnam an einem Seil. Die toten Augen scheinen Torjan vorwurfsvoll anzustarren, die aufgedunsene blaue Zunge hängt aus dem wie zu einem Grinsen verzerrten Mund. Fliegen und Maden kriechen aus Mund, Nase und Augenhöhlen hervor.

Draussen steht Toralin vor der kleinen Treppe, die Tür ist hinter seinem Gefährten ins Schloss gefallen. Toralin will ihm zur Hilfe eilen, doch die Schlingpflanzen und Dornenranken, stinkende Flechten und verfaulende Äste scheinen ihm den Weg zu versperren. Der Elf zieht seine Zweililien und kämpft sich die zugewachsene Treppe hinauf. Die Ranken versuchen sich um seine Beine zu schlingen, ihn die Treppe hinabzustürzen, sich um seinen Hals zu wickeln. Doch mit seiner elfischen Dickköpfigkeit kämpft sich Toralin bis zur Tür vor. Er will gerade hindurchtreten, als der Türrahmen zu bluten beginnt! In dicken, klebrigen Strömen tropft halb geronnenes Blut in einem dichten Vorhang herab, der den Weg durch die Tür versperrt.

Unterdessen hat Farsijian im Garten einen Zugang zum Keller entdeckt: Eine alte Kohlenluke, die er genauer untersuchen will. Also steigt er mit seiner Öllampe die kleine Stiege hinab in einen feuchten Kellergang. Kaum ist er unten angekommen, fällt über ihm die Luke zu, seine Lampe erlischt, der Maraskaner steht plötzlich in tiefster Dunkelheit und völliger Stille. Plötzlich hört er ein Grollen, ein dunkles Knurren, das den Boden zum Vibrieren bringt und kalte Panik durch seine Glieder fahren lässt. Farsijian muss all seinen Mut zusammennehmen, um sich im Dunkeln den Gang entlangzutasten. Plötzlich stoßen seine Finger auf etwas Weiches, Warmes und etwas krabbelt seine Hände und Arme entlang. Der Boden scheint bei jedem Schritt zu knacken, sich zu bewegen, und kleine Tiere scheinen an seinen Beinen heraufzukrabbeln. Von der Decke fällt etwas Quiekendes, Zirpendes herab, unzählige Krabbler wühlen sich durch sein Haar, versuchen in seinen Mund zu gelangen...

Cosgrims Geschichte

Mit einem Stoßgebet zu seinem Gott tritt Torjan näher an den stinkenden Leichnam heran, will ihn von seinem Seil lösen, um dem leblosen Körper Ruhe zu schenken. Doch kaum hat er den Fuß der Leiche berührt, steht er plötzlich auf der Veranda, blickt hinaus auf das kleine Feld hinter dem Haus. Neben ihm schläft die kleine Phexy friedlich in einem Lehnstuhl. Er fühlt sich traurig, sehnt sich nach seiner Frau, fragt sich, warum sie so früh sterben musste, und warum er sich nicht mal von ihrer Leiche verabschieden durfte. Plötzlich ist sie da, seine Frau, so schön, wie er sie in Erinnerung hatte. Dort, im Feld steht sie, und winkt ihm fröhlich zu. Er läuft auf sie zu, durch das noch junge Getreide, und will seine Liebste in die Arme schließen. Da verwandelt sie sich plötzlich vor seinen Augen: Das Lächeln ist eine schmerzverzerrte Todesstarre, der schöne Körper ist bereits halb verwest und von Maden zerfressen. Und sie selbst winkt auch nicht, denn hinter ihr steht Dragomir und wedelt in kindischer Freude mit den Armen der Leiche. Mit einem schmerzvollen Schrei weicht Cosgrim zurück, rennt weinend auf sein Haus zu, schnappt sich noch ein Seil, das an der Veranda hängt, und rennt hinein zum dicken Deckenbalken im Flur...

Der sanfte Singsang des Borongeweihten zerreisst die Erinnerung, vertreibt den Schmerz und den Schrecken. Der ruhelose Geist Cosgrims wird heim gerufen, mit ruhiger aber unwiderstehlicher Stimme, wird geleitet über das Nirgendmeer, der ewigen Ruhe in Borons Halle entgegen...

Von einem Moment ist der Spuk vorbei: Der baumelnde Leichnam ist verschwunden, zurück bleibt allein eine seilbreite Einkerbung in einem Deckenbalken. Der blutige Vorhang an der Tür verschwindet, die bedrohlichen Pflanzen ziehen sich zurück, bis sie wieder normal und ungefährlich erscheinen. Im Keller ist das Krabbeln und Quieken plötzlich verschwunden, das bedrohliche Knurren verstummt, die völlige Dunkelheit einem erträglichen Halbdunkel gewichen. Im Licht seiner Öllampe entdeckt Farsijian ine einem kleinen, selbstgebauten Nachtlager aus Decken, Kissen und Stroh die kleine Phexy, die friedlich schläft, so als ob jemand über ihre Schlaf wache.

Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, weckt der Baron das kleine Mädchen, sagt, dass er ein Freund sei und sie keine Angst vor ihm haben muss, und fragt sie in einer kleinen Unterhaltung aus. Anscheinend wohnt sie seit dem Tod ihres Vaters hier im Keller, hat aber nie etwas Böses oder Gruseliges im Haus erlebt. Bis gestern hatte sie einen Hund, den sie Ayla getauft hatte, und der ihr vor ein paar Woche zugelaufen war, doch gestern hat er im Wald plötzlich etwas gewittert und ist laut bellend in den Wald gerannt. Sie hat noch versucht, ihm zu folgen, hat ihn aber verloren, was sie sehr traurig macht. Der Baron verspricht, die Augen nach dem Hund aufzuhalten, und sagt ihr, dass sie, wann immer sie Hunger hat oder Hilfe braucht, einfach zu den Wirtsleuten in die Feste gehen soll. Er werde sich selbst dafür einsetzen, dass sie sich um sie kümmern werden.

Die Weihe

Es ist bereits später Nachmittag. Die drei Helden haben nicht viel Zeit, sich gegenseitig ihre Erlebnisse zu berichten, naht doch schon bald die Boronsstunde, in der das Weiheritual am Boronsanger gesprochen werden soll. Dort treffen sie auf Bruder Boronifatius, mit dem Torjan gleich in stille Gebete versinkt. Elf Toralin, der von derartigen Firlefanz nichts hält, verabschiedet sich und zieht sich in seine Gemach in der Feste Kaltenstein zurück.

Gut zwanzig Dörfler sind anwesend, als Bruder Boronifatius die feierliche Zeremonie eröffnet. Gemeinsam mit Bruder Torjan und den wenigen verbliebenen borongläubigen Bauern zieht die kleine Prozession über den Friedhof, spricht hier ein Gebet, segnet dort ein leeres Grab ein. Bereits eine gute halbe Stunde geht das schon so, das Ritual nähert sich seinem Ende, als plötzlich die Erde zu beben beginnt, erst unmerklich, dann stärker werdend. Farsijian legt bereits seine Hände an die Waffenknäufe, als plötzlich ein riesiges Untier aus dem Boden bricht, ein stinkender Leichnam einer gewaltigen Kreatur: Ein untoter Tatzelwurm! Sogleich stürzt er sich auf die beiden Boronis, die ihn aus der Erde getrieben habe, und vielleicht hätte er den noch halb in Trance befindlichen Priester sogleich den Garaus gemacht, hätten sich nicht Baron Farsijian und der Krieger Rethis dazwischen geworfen.

Der Kampf wird auf's Erbitterlichste ausgefochten, zahlreiche Dörfler, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, liegen bald im eigenen Blute auf dem Totenacker, und Rethis und Torjan sind arg bedrängt, den untoten Wurm zurückzudrängen, um das noch immer andauernde Ritual der Boronis nicht zu unterbrechen. Rethis blutet bereits aus zahlreichen Wunden, und auch Farsijian, der beste Kämpfer der Runde, hat so manche Wunde einstecken müssen, als die beiden Geweihten die Weihe endlich beenden. Der Tatzelwurm heult auf, windet sich vor Schmerzen auf dem nun geheiligten Boden, als ihm ein finaler Angriff des Barons endgültig den Rest gibt.

Der leblose Leichnam liegt auf dem Anger, und Rethis will ihn gerade untersuchen, um sicherzustellen, das wirklich kein Leben mehr in ihm wohnt, als er plötzlich von einem kleinen, stinkenden Wesen angesprungen wird, das im Leib des Tatzelwurms ausgeharrt hatte. Ein untoter Tatzelwurm-Bandwurm! Rethis wird von der Kreatur im Gesicht erwischt, der stark verletzte Krieger wankt, stürzt leblos zu Boden. Farsijian kann das grässliche kleine Wesen mit einem gezielten Schlag beseitigen, und so die von den Nekromanten beschworenen Kreaturen endlich ausmerzen.

Das Ende?

Der Krieger Rethis und drei andere Dörfler sind tot, der untote Tatzelwurm und sein fieser Parasit sind besiegt, der Boronsanger wieder ein Ort des Friedens und der Ruhe. Mühsam rappeln sich die Kämpfer auf, versorgen ihre Wunden, starren ungläubig auf die gräßliche tote Kreatur. Schließlich ist es Bauer Burgol, der als Erster die Worte findet: "Die Kreatur ist besiegt - jetzt kann endlich Frieden in unser kleines Dorf einziehen! Ein Hoch auf unseren Herrn Baron, und auf die Zwölfe!" Über das Jubeln hinweg verschafft sich der Wirt Gehör, und lädt alle Dorfbewohner heute Abend zu einer Siegesfeier in die Feste Kaltenstein. "Bürger von Notacker, hiermit verkünde ich, dass Eure Zeit des Darbens und des Schreckens vorbei ist, und dass nun wieder Wohlstand einkehren möge, wie überall in meiner Baronie! Und nun lasst uns feiern!"

Mit der Aussicht auf eine schöne Abschiedsfeier und die baldige Belohnung mit Abenteuerpunkten verlassen wir unsere Heldengruppe. Aber war das wirklich schon alles? Sind alle Fragen geklärt, alle Kämpfe geschlagen? Und warum hat uns der Meister erst jetzt, wo es schon zu Ende ist, den Namen des Abenteuers verraten? Ist sie vielleicht noch gar nicht vorbei, die Nacht der geifernden Mäuler? Ob und wie es weitergeht, erfahrt Ihr vielleicht in Teil 3 unseres Spielberichts.

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