Hörspiel: Freund oder Feind

In der zweiten Folge der neuen DSA-Hörspielreihe müssen die aus dem Kerker entkommenen Helden sich erstmal Waffen besorgen. Doch dabei geraten sie zwischen die Fronten einer Räuberbande und der sie verfolgenden Garether Stadtwache. Werden die fünf Abenteurer unversehrt entkommen? Und kann die Geschichte nun auch aventurisch etwas mehr Tiefe gewinnen? Die vier Helden und der Schelm haben mal reingehört...

Der Rückblick

Nachdem der erste Teil der geplanten sechsteiligen DSA-Hörspielreihe der WinterZeit Studios uns technisch vollkommen überzeugen konnte, inhaltlich aber noch einen gehörigen Schuss Aventurien-Geschmack vertragen konnte, waren die Erwartungen an Folge 2 entsprechend hoch: Trauen sich die Autoren, den unbedarften Hörspiel-Hörer etwas weiter hinein in die aventurische Folklore, Sprache, Hintergrundwelt zu schubsen?

Das erneut sehr schöne Cover der zweiten Hörspiel-CD

Als wir beim letzten Mal den widerwillig ins Abenteuer geratenen Zwergen Gundar Gemmenschneider, die undurchsichtige Streunerin Alinne, den nörgeligen Thorwaler Hothar, den hochnäsigen Auelf Filoen und die plötzlich aufgetauchte Kriegerin Leonida von Beilunk das letzte Mal verließen, waren sie gerade aus dem Kerker von Gareth und somit der berüchtigten (aber im DSA-Kanon vollkommen unbekannten) Spindel entkommen (für ein baugleiches Modell siehe hier) und hatten vom verarmten Adelssohn Lares vom weißen Turm den Auftrag bekommen, einen wichtigen Siegelring aus den schwarzen Landen zu besorgen. Unterdessen entsendet Bösewicht Beltram von Lauterfurt den Hauptmann der Garether Stadtwache Bardo von Faldir, um die Entflohenen dingfest zu machen.

Die Handlung

Genau an diesem Punkt setzt die Erzählung am Beginn der zweiten Folge ein. Die fünf Helden haben unglücklicherweise keine Waffen dabei, was sich bei einer Reise in die von Rhazzazors Truppen besetzte Warunkei des Jahres 1027 BF als durchaus nachteilig erweisen könnte. Daher beschließt man, noch irgendwo ein paar Waffen zu besorgen. Warum die Kriegerin Leonida von Beilunk beim Ausbruch keine Waffen bereitgestellt hat, wird leider nicht erklärt - scheinbar hat sie dieses Detail einfach vergessen. Glücklicherweise kennt Streunerin Alinne sich in der Gegend bestens aus, und führt die Truppe zu einer befreundeten alten Frau namens Babaya, die praktischerweise unter ihrer Hütte eine riesige Höhle voller Waffen verbirgt.

Als sich die neu bewaffnete Truppe gerade daran machen will, das kleine Dorf zu verlassen, werden sie von der ihnen nachstellenden Stadtwache attackiert, fliehen in den Wald, nur um dort von einer Diebesbande gefangen zu werden (was in etwa so aussehen dürfte). Alinne kennt die Diebe unter dem berüchtigten Diebeshauptmann Renk, und so stellt sich die Frage, ob sie eine Verräterin ist, die die Helden absichtlich in die Falle gelotst hat, oder ob sie sich zu ihren neuen Freunden bekennen wird.

Die Umsetzung

Als nettes Hörspiel für Zwischendurch wird dem in aventurischen Dingen gänzlich unbedarften Normalhörspielhörer einiges geboten: Die "abenteuerlich" Haupthandlung wird immer wieder von kurzen Einblicken in die Aktivitäten der Bösewichte unterbrochen. Dadurch erfährt man auch, dass sich hinter den recht unspektakulären Ereignissen rund um die zentrale Antihelden-Truppe noch einige unaufgelöste Geheimnisse verbergen, die in kommenden Episoden erkundet werden wollen. Cliffhanger und Story-Andeutungen halten den Hörer bei Laune. Und das ist auch dringend erforderlich, da ansonsten nicht viel passiert: Helden besorgen sich Waffen, werden gefangen genommen, können entkommen. Das ist die gesamte Handlung von Folge 2 in leicht gekürzter Form. Für 57 Minuten Hörspiel ist das nicht sonderlich viel!

Das verbale Geplänkel zwischen Zwerg, Elf und Thorwaler ist wieder recht nett anzuhören, hat sich in der zweiten Folge aber bereits etwas abgenutzt, sodass zu hoffen ist, dass den Autoren für die kommenden vier Folgen noch ein paar interessante Charakterentwicklungen einfallen. Insbesondere Hothar wird hier als begriffsstutziger Haudrauf inszeniert, was sich irgendwann als etwas repetitiv herausstellt. Bis auf Alinne, deren Vergangenheit in dieser Folge angekratzt wird, hat keiner der Helden Gelegenheit zur Charakterentwicklung, was insbesondere aufgrund der bereits sehr stereotypen Ausgangslage sehr schade ist.

Technisch machen die WinterZeit Studios wieder alles richtig: Die Sprecher scheinen Spaß an der Sache zu haben und liefern ihre Dialoge sehr treffsicher und überzeugend ab. Die mal unaufdringliche, mal dramatische Musikuntermalung weiß zu gefallen (auch wenn keine erinnerungswürdigen Ohrwürmer dabei sind), und die Geräuschemacher konnten sich wieder ordentlich austoben. Besonders die Action-Sequenzen zeigen, dass hier echte Profis am Werk waren. Und schließlich muss auch das wieder bezaubernd schöne Titelbild der CD erwähnt werden, dass wie schon zuvor aus der Feder von Flavio Bolla stammt.

Namenloses Grauen

Mein Hauptkritikpunkt ist aber, wie schon bei der ersten Folge, die Handlung, und insbesondere dabei die Einbettung in die Welt des Schwarzen Auges. Erneut wird jede Gelegenheit versäumt, ein aventurisches Flair zu vermitteln, behutsam aventurische Begriffe einzustreuen, die Hintergrundwelt lebendig werden zu lassen.

Das fängt schon mit den Namen der neuen Akteure aus Folge 2 an: Renk, Istav, Babaya, Okan. Sollen das aventurische Namen sein? In der Spielhilfe Aventurische Namen kommt nicht einer davon vor, und auch Wiki Aventurica ist trotz seiner 63287 Artikel mit diesen Namen überfordert. Wäre es wirklich so viel Arbeit gewesen, sich in irgendeiner der unzähligen Publikationen einen passenden Namen für jeden der in den bisherigen zwei Folgen auftretenden insgesamt 14 namentlich genannten Personen herauszusuchen? Insgesamt habe ich nur drei von 14 Namen gefunden, die auch in anderen DSA-Publikationen auftauchen: Gundar, Lares und Bardo. Warum tun die Autoren sowas? Dass man Fremdhörer nicht mit zuviel Aventuriendetails abschrecken möchte, kann ich ja verstehen - aber warum muss man 32 Jahre DSA-Geschichte ignorieren und stattdessen eigene, widersprüchliche Dinge erfinden?

Logiklücken

Auch sonst gilt das Selbe, was schon an Folge 1 kritisiert wurde (übrigens nicht nur von mir): Das Setting ist vollkommen generisch, es wird außer Gareth und den Trollzacken kein einziger Ortsname erwähnt. Dafür wird ein völlig neuer berüchtigter Räuberhauptmann erfunden (als ob die bald heranwachsende Wildermark nicht genügend passende Bösewichte bereitgehalten hätte), der sich auch noch erdreistet, sich selbst als den "größten Räuber von ganz Aventurien" zu bezeichnen. Auch dass der Anführer der Garether Stadtwache ein gewisser Bardo von Faldir sein soll, der sich schließlich mir nichts, dir nichts von irgendeinem dahergelaufenen Söldner mit einem Hieb dahinschlachten lässt, ist nicht gerade kanonisch (und übrigens eine Verschwendung des großartigen Kevin Spacey-Sprechers Till Hagen).

Schließlich hakt es auch an so mancher Stelle offensichtlich an der Logik: Warum muss im Mittelreich, nur eine halbe Tagesreise von Gareth entfernt, ein riesiges, geheimes Waffenlager anlegen - gibt es im Mittelreich nicht genug legale Wege um an Waffen zu gelangen? Warum führt die alte Vettel die dahergelaufenen Taugenichtse gutgläubig in ihre streng geheime Waffenkammer, und beleidigt dabei den Thorwaler noch nach Strich und Faden, obwohl sie selbst nur mit einem Dolch bewaffnet ist? Warum glaubt sie dem Geschwafel des Zwerges, der den Ring als wertvolles Schmuckstück anpreist, und gibt dafür alle Waffen (samt Bonus-Dreingabe) einfach so her? Warum lässt der Erzbösewicht den Kommandanten der Stadtwache ohne guten Grund ermorden? Würde das im zivilisierten Gareth des Jahres 1027 BF nicht zu einer minutiösen Untersuchung führen? Warum kann der Elf nicht zaubern, und warum sucht er irgendwelche Moose und Spinnennetze, um Leonida zu heilen, anstatt zu Wirselkraut, Einbeere oder Tarnele zu greifen? Wenn Alinna sich rächen möchte, warum lassen sie den bewusstlosen Renk einfach liegen, anstatt ihn direkt zu ermorden oder als Geisel mitzuführen? Und schließlich, die große Frage: Warum können fünf mittelmäßig begabte und ausgestattete Abenteurer problemlos zwei Angriffe von jeweils einem Dutzend Gardisten abwehren, obwohl diese das Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben? Und die wichtigste Frage überhaupt: Warum zum Geier nehmen die fünf entlaufenen Verbrecher überhaupt den Auftrag an und gehen in die - bekanntermaßen nicht ungefährlichen - schwarzen Lande, anstatt einfach abzuhauen und sich irgendwo in Thorwal oder Almada ein schönes Leben zu machen?

Das Fazit

Genug Fragen für diese Folge. Ich möchte mich eigentlich gar nicht so sehr aufregen, da ich das Konzept und die grundsätzliche Umsetzung der Serie immer noch für toll halte. Was mich allerdings maßlos ärgert, ist die fehlende ordnende Hand eines kompetenten DSA-Redakteurs, der das Manuskript noch einmal auf den richtigen Weg hätte bringen können. Leider ist es hierfür nun - zumindest was Staffel 1 angeht - auch zu spät, da alle sechs Folgen bereits seit Monaten fertig geschrieben und aufgenommen wurden.

Daher müssen wir uns wohl in das Schicksal fügen, und inständig zu allen Zwölfen beten, dass die kommenden vier Folgen etwas mehr den aventurischen Hintergrund berücksichtigen und sich alle Logiklücken durch die noch ausstehenden Handlungsenthüllungen stopfen lassen. Ich bin noch nicht bereit, die Serie abzuschreiben, und gebe zu, dass ich mich wider besseres Wissen noch immer auf die kommenden Folgen freue. Mal sehen, ob die Macher in der Lage sein werden, diese Vorfreude zu erfüllen.

Das Hörspiel "Freund oder Feind" ist ab dem 21. Juli 2017 direkt bei den WinterZeit Studios oder den bekannten Internet-Versandhäusern (z.B. Amazon) als CD oder Download verfügbar. Der dritte Teil "Die Geweihten des Totengottes" erscheint voraussichtlich am 22. September 2017.

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