Hörspiel: Im Kerker von Gareth

Wenn ein junger Zwerg allein nach Gareth reist, und sich unvermittelt im Kerker wiederfindet, ist das für den Zwerg keine schöne Sache. Aber vielleicht für den Zuhörer, der sich diese Geschichte als Hörspiel zu Gemüte führt. Die vier Helden und der Schelm haben sich den ersten Teil der neuen DSA-Hörspielreihe angehört!

Die Hörspiele

Nun ist sie also da, die erste Folge der neuen Hörspielreihe aus den WinterZeit Studios. Als im Oktober 2016 die ersten Infos an die Öffentlichkeit sickerten, dass WinterZeit in Kooperation mit Audionarchie und Ulisses eine neue Serie von aventurischen Hörspielgeschichten vorbereitete, wurde so mancher Fan hellhörig, war DSA in der Vergangenheit auf dem Hörspiel-Markt doch eher mäßig erfolgreich.

Die erste neue DSA-Hörspiel-CD in ganzer Pracht

Sicher, es gab jahreland die hervorragend produzierten Hörbücher des Horchposten-Verlags, die aber mit ihren wenigen Sprechern und den aus den Buchvorlagen bekannten Geschichten "nur" den Hörbuch-Markt bedienten. Ein klassisches Hörspiel, mit zahlreichen Sprechern, Geräuschen und einer echt dafür konzipierten Geschichte, gab es bis dato nur in den mäßig erfolgreichen und bei DSA-Fans eher unbeliebten Europa-Hörspielen, die bereits nach der dritten Folge sang- und klanglos eingestellt wurde.

Die Vorzeichen dafür stehen grundsätzlich gar nicht schlecht: Die Hörspiele sind aufwendig produziert und mit hochkarätigen Sprechern besetzt, die Story wurde extra für die Hörspiele geschrieben (von Markus Topf und Timo Reuber) und von DSA-Chefredaktor Nikolai Hoch von Ulisses abgesegnet. Anders als bei den Europa-Hörspielen sind auch nicht mehr Kinder die Protagonisten der Geschichte, was die erwachsene Hörerschaft beruhigen dürfte - wer will schon ein "aventurisches TKKG"? Die 6 Folgen der ersten Staffel bilden eine zusammenhängende Geschichte, die einzelnen Folgen sollen jedoch in sich abgeschlossen sein. Mal schauen, ob das klappt.

Die Geschichte

Wir schreiben das Jahr 1027 BF. Die Kaiserstadt Gareth geht friedlich ihrem Alltag nach, vom Magnum Opus des Weltenbrandes und der Fliegenden Festung ahnt noch niemand etwas. Der junge, gerade mal 83 Jahre alte Zwerg Gundar Gemmenschneider kommt in die Stadt, um ein wertvolles Schmuckstück zu verkaufen. Doch ehe er sich versieht, wird er fälschlicherweise eines Diebstahls bezichtigt und in den Kerker der Stadt geworfen. Zusammen mit dem hochnäsigen Elfen Filoen, dem Thorwaler Hothar und der jungen Streunerin Alinne findet er sich erst in einer Zelle, und dann bei der Zwangsarbeit an der berüchtigten Spindel wieder. Die Gefangenen drohen an der harten Arbeit und dem rauhen Gefängnisalltag zu zerbrechen - bis plötzlich jemand die Zellenwand sprengt, und ihnen die Freiheit für die Erledigung eines gefährlichen Auftrags verspricht...

Die Sprecher

• Der Erzähler der Geschichte könnte dem ein oder anderen treuen Hörbuchleser bekannt vorkommen, wurde doch der aus vielen Horchposten-Produktionen bekannte Sprecher Axel Ludwig für die Rückkehr nach Aventurien reaktiviert werden.
• Der Zwerg Gundar Gemmenschneider wird passenderweise von Claus-Peter Damitz gesprochen, den viele als die deutsche Stimme von Tyrion Lannister (pardon: im deutschen Lennister) aus Game of Thrones kennen dürften, und der sich in den ersten Minuten des Hörspiels schön als grummeliger Jungzwerg austoben und mit dem Elfen Filoen anlegen darf.
• Jener wird schön hochnäsig und arrogant von Marcus Off gesprochen, den man als deutsche Stimme von Johnny Depp in Fluch der Karibik und als intriganten Miethai Phil Seegers in der Lindenstraße kennt.
• Gabrielle Pietermann, die normalerweise Emma Watson, der Hermine aus Harry Potter, die Stimme leiht, darf sich als Streunerin Larissa ausgeben.
• Marco Kröger, der früher den Patrick Star in Spongebob synchronisieren durfte, bleibt dem feuchten Element verbunden und spricht den Thorwaler Hothar.
• Der mysteriöse Auftraggeber, Lares vom weißen Turm, wird von Julius Jellinek, dem jungen Simba aus König der Löwen, gesprochen
• Sein greiser Mentor Sardos ist Synchron-Legende Eckart Dux, den die meisten als Hannibal Smith im A-Team oder als Nachfolger vom verstorbenen Gandalf-Synchronsprecher Achim Höppner in Der Hobbit kennen dürften.
• Ein weiteres Highlight ist der Bösewicht Bardo von Faldir, der sehr passend mit Till Hagen besetzt ist, dem deutschen Synchronsprecher von Kevin Spacey z.B. in House of Cards.
• Leonida von Beilunk schließlich wird von Angela Wiederhut gesprochen, die z.B. Scarlett Johansson in Die Insel und Brienne of Tarth in Game of Thrones synchronisiert hat.

Man sieht: An der Qualität der Sprecher hat man nicht gespart, und tatsächlich machen alle ihre Arbeit wie erwartet sehr gut. Akustische Aussetzer gibt es nicht, und die meisten Stimmen sind, auch in den Nebenrollen, sehr passend besetzt. Ich persönlich hätte mir die Stimme eines Zwergen gerne etwas tiefer gewünscht, aber das ist sicherlich Geschmackssache. Außerdem kann ja nicht jeder Zwerg wie Gimli, Sohn des Gloin klingen...

Die CD

Das Tolle an den neuen WinterZeit-CDs: Man findet sie praktisch in jedem Elektronik-Markt (z.B. hier oder hier), was der Verbreitung von DSA sicherlich nicht abträglich ist. Schön kommt auch das CD-Cover von Flavio Bolla daher, das mit einem prächtigen goldenen Sonnenuntergang hinter einer trutzig-schroffen Feste für die nötige Fantasy-Atmosphäre sorgt. Dass die dargestellte Szenerie nichts mit dem titelgebenden Kerker zu tun hat, möge man dem Künstler bitte verzeihen - schließlich hatten die Titelbilder von Uğurcan Yüce auch nur selten etwas mit dem Inhalt zu tun, und waren trotzdem toll...

Das Booklet kommt mit einer Kurzeinführung in DSA und Aventurien sowie mit zwei Vorworten von Projekt-Initiator Patrick Holtheuer und Regisseur Markus Winter daher. Wohingegen letzterer offen zugibt keine Ahnung von DSA zu haben und erst bekehrt werden musste, outet sich ersterer als echter DSA-Fan und Rollenspiel-Veteran, dem das Projekt eine Herzensangelegenheit zu sein scheint.

Abgerundet wird das 12-seitige Booklet von Kurzbiographien der Sprecher sowie Werbung für weitere Hörspiele und für DSA 5.

Der erste Eindruck

Nun aber die spannende Frage: Hat sich der ganze Aufwand schlussendlich gelohnt? Was die technischen Schauwerte angeht, lässt sich nicht meckern: Ton und Sprecher sind hervorragend, die Hintergrundmusik von Michael Donner und Manuela Trutte ist atmosphärisch, aber nie störend, das Titelthema nach etwas gemächlichem Beginn angenehm episch.

Die Story an sich ist sehr linear: Zwerg kommt nach Gareth, wird in den Knast geworfen, kann entkommen, geht mit Knastkollegen auf Abenteuerreise. Wer sich mehr überraschende Wendungen oder tiefgründige Charakterentwicklung erwartet hat, wird vom Kerker von Gareth sicherlich etwas enttäuscht sein. Aber es sollte beachtet werden, dass dies nur die erste Folge ist, die uns erstmal mit den Protagonisten und Antagonisten vertraut machen soll, und das macht sie auf ganz klassische Art und Weise. Die bunt zusammengewürfelte Truppe aus Zwerg, Elf, Thorwaler und Streunerin könnte jeder beliebigen deutschen DSA-Spielgruppe entsprungen sein. Die folgenden Episoden der Staffel müssen allerdings deutlich komplexer und interessanter werden, um den Hörer bei der Stange zu halten.

Für eine aventurische Geschichte haben sich die Autoren sehr zurückgehalten: Obwohl die erste Folge fast komplett in Gareth spielt, und die Stadt in den einleitenden Beschreibungen auch schön zum Leben erweckt wird, gibt es doch praktisch keinerlei aventurische Begriffe, Orte oder Personen, die dem DSA-Kenner bekannt vorkommen dürften. Außer dem ein oder anderen "Bei Angrosch!"-Ausruf werden kaum aventurische Redewendungen benutzt, kein Zwölfgott wird genannt, keines der hunderten Gebäude Gareths erwähnt. Der namensgebende Kerker hat mit dem bekannten Schuldturm und Kerker aus der Gareth-Box praktisch nichts gemein. Weder die in ganz Aventurien bekannte Familie der Türmer, noch die einflussreichen Bösewichte Bardo von Faldir oder Beltram von Lauterfurt sind bisher Teil des aventurischen Kanons. Und wo liegen überhaupt Faldir oder Lauterfurt? Ist Hothar ein typischer Thorwaler-Name? Hat schon jemand einen Elfen namens Filoen getroffen? Warum messen die Zwerge Tiefen in Fuss? Wo im Schuldturm ist die gefürchtete Spindel untergebracht? Und warum wird der Zwerg immer wieder als Halbling bezeichnet? Haben wir im Jahr des Feuers nicht genug Schwerter und Siegelringe wiederbeschaffen müssen?

Leider haben die Autoren sehr wenig Mut bewiesen und statt eines lebendigen Aventuriens nur ein absolut austauschbares Fantasy-Setting gemacht, das zumindest im vorliegenden ersten Teil auch in praktisch jeder anderen Fantasy-Welt spielen könnte. Sicherlich sollen so neue Zielgruppen erschlossen werden, die kein jahrelang erworbenes Aventurien-Vokabular vorweisen können. Aber zumindest eine behutsame Heranführung an aventurische Grundbegriffe wie die Zwölfgötter, Reichsregentin Emer oder aventurische Währungen und Maßeinheiten hätte man wagen können - und müssen!

Das Fazit

Ist die erste Folge also ein Totalausfall? Absolut nicht! Wer mit der richtigen Erwartungshaltung an das Hörerlebnis herangeht, kann sehr amüsante und unterhaltsame 56 Minuten genießen. Die Dialoge sind lebendig, die Charaktere glaubhaft, die Cliffhanger am Ende der Folge versprechen einen spannenden weiteren Verlauf der Staffel. Wenn die kommenden Folgen etwas weniger lineare Handlungen vorweisen, und sich die Geschichte etwas besser in den aventurischen Hintergrund einpasst (das bevorstehende Jahr des Feuers bietet da einiges an Möglichkeiten), könnte aus der Reihe noch ein echtes DSA-Highlight werden. Das Potential ist in jedem Fall da! Ich freue mich auf Folge 2!

Nur Geduld: Folge 2 soll am 21. Juli erscheinen

Das Hörspiel "Im Kerker von Gareth" ist direkt bei den WinterZeit Studios oder den bekannten Internet-Versandhäusern (z.B. Amazon) als CD oder Download verfügbar. Der zweite Teil "Freund oder Feind" erscheint voraussichtlich am 21. Juli 2017.