Zwei Stunden bei Ulisses

So ist das mit blöden Ideen. Da sitzt man vor seinem Rechner und grübelt über neue Artikel für seinen DSA-Blog, und ein paar Monate später sitzt man, vollkommen surreal, mit dem Ulisses-Chef in Waldems und diskutiert die Umsetzbarkeit dieser blöden Ideen. Wieso der Autor dieser Zeilen mit kindlichem Staunen (und ohne Sicherheitsschuhe!) durch das Ulisses-Hochregallager wandern durfte, und warum sich die vier Helden (und auch der Schelm) in den letzten Wochen so rar gemacht haben, erfahrt ihr hier.

Der Blogger

Seit ich am 20. Januar 2017 meinen ersten Blog-Post veröffentlichte, sind viele tolle Sachen passiert. Die unzähligen DSA-Publikationen, die sonst einfach nur blind gekauft und ungelesen in die Ecke gelegt werden, werden nun, mit dem Blick des Blog-Autors, der überall noch möglichen Blog-Themen sucht, viel genauer gelesen. Ich habe zum ersten Mal Rollenspiel-Conventions mit dem Ziel besucht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, und nicht nur, um neue Sachen zu kaufen und dann schnell wieder zu verschwinden. Neue Bastelideen, die ich sonst vielleicht nie verwirklicht hätte, wurden umgesetzt, damit ich im Blog darüber berichten kann.

Jeden Monat wird der Blog mehrere Tausend Mal aufgerufen, insgesamt schon 22.000 Mal in acht Monaten. Unzählige Leser haben an den Umfragen und Gewinnspielen teilgenommen, und hunderte nette Kommentare hinterlassen. Mittlerweile werden unsere Blog-Einträge von Nandurion, RSP-Blogs, Orkenspalter und dem DSA-Forum weiterverbreitet. Ich habe mit Buchautoren und anderen Bloggern kommuniziert, habe mit Werner Fuchs gequatscht, Markus Plötz DSA-Schokolade überreicht und mit dem Schicksalsklinge/Sternenschweif-Entwickler über Unity-Entwicklung philosophiert. Sprich: Ich habe Dinge getan, die ich mich vorher nie getraut hätte, und die mir echt Spaß gemacht haben. Trotz all der Arbeit des Bloggens und dem Druck, den man sich selbst bei zu langen Schreibpausen macht, und trotz all der Freizeit, die beim Schreiben draufgeht, waren die ersten acht Monate als Blogger schon eine tolle Erfahrung!

Das Projekt

Das bisherige Highlight war aber ganz sicher die letzte Woche. Schon seit längerer Zeit spukte mir ein DSA-Bastelprojekt im Kopf herum, an dem ich immer wieder herumwerkelte. Von einer einfachen Idee entwickelte es sich immer weiter zu einem großen Projekt, das in den letzten Monaten einiges an Zeit verschlang. Irgendwann stand ich vor der Entscheidung, ob ich dieses Herzensprojekt wirklich nur für meinen Blog verwenden möchte, oder ob ich den großen Sprung wagen und die Idee bei Ulisses vorstellen sollte. Dabei war klar, dass die Idee nur schwer zu realisieren sein würde, und vermutlich auch kein großer Markt dafür bestehen würde. Vor allem war und bin ich mir nicht mal sicher, ob das fertige Produkt wirklich Spaß machen würde. Aber weil ich die Idee zu schade zum In-der-Ecke-Verstauben fand, entschloss ich mich, es zu versuchen.

Auf der Ratcon in Limburg stellte ich Ulisses-Chef Markus Plötz meine Idee nach langem Zögern vor. Und das Schöne daran war, dass die Idee an sich wohl nicht so abwegig und weltfremd war, wie ich befürchtet hatte, denn Ulisses hat selbst schon die selbe Idee, und war schon vor ein paar Jahren an der Umsetzung gescheitert. Um aber herauszufinden, ob ich noch neue Ideen einbringen kann, um das Projekt doch noch realisieren zu können, bot mir Markus einen Gesprächstermin in Waldems oder auf der (für mich als Bochumer leichter zu erreichenden) Spielemesse in Essen an. Natürlich wählte ich Waldems, war es doch schon früher zu FanPro-Zeiten mein Traum, einmal die Redaktionsräume der DSA-Redaktion (damals noch in Erkrath) zu sehen.

Die Fahrt

Also gönnte ich mir einen Tag Urlaub, schwang mich morgens um neun in meinen treuen Hyundai Matrix, und sauste hinunter gen Hessen. Das Kölner Kreuz verschlang meinen großzügigen Zeitpuffer vollständig, sodass ich, als ich endlich in Bad Camberg die A3 verließ, nur noch wenig Zeit bis zum verabredeten Termin hatte. Durch die noch nebelverhangenen Wälder des Taunus ging es Richtung Waldems, und stets betete ich, dass nicht gerade hier, wo außer mir kein anderes Auto unterwegs zu sein schien, meine Handynavigation den Geist aufgeben würde. Es hätte mich auch nicht wirklich gewundert, wenn irgendwo aus dem Wald plötzlich Farindel oder der rote Wyrm hervorgetreten wäre!

Endlich erreichte ich das Ortsschild von Waldems, bog in die wenig idyllisch benannte Industriestraße ein, in der ein zwischen ein paar kleinen Industriebetrieben eine Lagerhalle mit dem Logo einer Paintball-Firma lag - und mit dem wohlvertrauten schwarz-grünen Signet, das so viele Bücher und Produkte in meinem Wohnzimmer ziert.

Die Firma

Wer beim Firmensitz des vermutlich größten deutschen Rollenspielverlages einen noblen und ehrfurchtgebietenden Prachtbau erwartet hat, wird vermutlich ziemlich enttäuscht werden: Der Lagerhallen-Charme lässt sich auch in den Büroräumen nicht ganz verleugnen. Über drei Etagen ziehen sich die wenigen Büroräume, meine Besprechung fand im schummrigen Keller gegenüber von einer Earthdawn-Landkarte und neben einer Kiste mit Verteilersteckdosen statt. Glamour ist anders!

Oben: Das Epizentrum der deutschen Rollenspiel-Szene. Unten: Ein begeisterter Blogger

Aber dafür bekam ich vom Ulisses-Chef persönlich erstmal eine Führung durch die Firma, beginnend beim Erdgeschoss-Büro, wo unter anderem Mutter Plötz arbeitet, und wo auf einem Regal gefühlt Dutzende RPC-Awards einfach so herumstehen. Im ersten Stock durfte ich einen kurzen Blick in ein DSA-Redaktionsbüro werfen, wo Nikolai Hoch und Alex (Axel?) Spohr gerade fleißig an tollen neuen DSA-Publikationen werkelten. Der Besprechungsraum war aufgrund einer stattfindenen Besprechung leider Tabu, aber dafür durfte ich noch kurz im Non-DSA-Büro "Hallo" sagen.

Und dann kam das Highlight!

Die Lagerhalle

Wer schon einmal einen Blick in Steffs Berichte aus dem Lager geworfen hat, hat in etwa eine Ahnung, was einen dort erwartet. Steht man aber selbst in der Halle, wird einem erst bewusst, wie groß und vor allem hoch die Halle in Wirklichkeit ist, und wie viele Paletten mit Rollenspielprodukten hier auf ihre Kunden warten. Schön gesellig stehen Kisten voller DSAPathfinder, Warhammer, Tails of Equestria, Dungeons&Dragons, Star Wars und wie sie alle heißen friedlich beieinander. Chaotische Lagerhaltung nennt man das wohl - ich wagte kaum darüber nachzudenken, was hier wohl noch für Schätzchen lagern könnten. Mein erster Instinkt war: Ich muss doch sowieso irgendwann sterben - warum nicht gleich hier, im Rollenspiel-Himmel?

Doch leider musste ich die Halle sogleich wieder verlassen, hinter Markus Plötz her, der mir im Hinterhof die unzähligen für die USA bestimmten Paletten zeigte, bevor es an den beiden mittagspausierenden Lagerarbeitern vorbei durch das Handlager ging, wo die Bestellungen aus dem F-Shop abgefertigt werden. Von diesen fleißigen (wenn nicht gerade pausierenden) Händen wurden also die vielen Paketchen gepackt, die ich in den letzten Jahren über den F-Shop bestellt habe...

Und so endete auch schon mein zehnminütiger Einblick in den Ulisses-Alltag. Vielen Dank an Markus für die nette und faszinierende Führung!

Die Besprechung

Die folgenden knapp anderthalb Stunden verbrachten wir im Keller-Besprechungsraum. Ich zeigte meine Ideen, Markus kommentierte und bewertete die Umsetzbarkeit, und erzählte, welche Ideen Ulisses selbst zu dieser Grundidee schon hatte. Leider kann ich Euch von der eigentlichen Idee noch nichts erzählen, da sie ja vielleicht doch irgendwann noch umgesetzt werden könnte. Nur soviel: So gerne wir beiden Geeks das Projekt auch machen würden, wäre es doch nur sehr schwer umzusetzen, und wäre vermutlich auch ein finanzielles Risiko. Vielleicht findet sich noch irgendwie ein gangbarer Weg - aber bis dahin muss ich wohl weiter davon träumen, einmal an einem echten veröffentlichten DSA-Produkt mitgearbeitet zu haben...

Das Fazit

Die Zeit in Waldems verging wie im Fluge, und als ich mich um zwei Uhr wieder ins Auto setzte, schwirrte mein Kopf vor guten Ideen und Begeisterung. Mit Markus Plötz über Rollenspiele zu philosophieren macht einfach Laune - man merkt immer den inneren Konflikt zwischen kindlichem Nerd und knallhartem Geschäftsmann. Auch wenn das Projekt, wegen dem ich hergekommen war, vielleicht niemals im F-Shop zu erwerben sein wird, habe ich nicht eine Sekunde der langen Fahrt bereut, und ich hoffe, dass es auch für Markus keine allzu große Zeitverschwendung war. Vielleicht ist ja noch die eine oder andere Idee hängen geblieben, die irgendwann in ferner Zukunft doch noch zu einem Produkt führen könnte. Lassen wir uns mal überraschen!

Mit leeren Händen verließ ich die Ulisses-Zentrale aber nicht, denn Markus lies es sich nicht nehmen, mir als Entschädigung für die weite Anfahrt aus dem Lager eine der frisch eingetroffenen Metallboxen mit dem Trefferzonen-Set zu überreichen. Als ich darauf bestand, den regulären Preis dafür zu bezahlen, sagte er, ich sollte es einfach bei meinem Rollenspielladen in Bochum bezahlen, und Chef Sigmar schöne Grüße ausrichten. Doch da jener das Geschenk ebenfalls großzügig ablehnte (danke dafür!), wurden die 25€ dann an die Bärenherz-Stiftung gespendet, die ein Kinder-Hospiz in Wiesbaden unterstützt. Wer hätte je gedacht, dass Riesenamöben-Würfel auch mal etwas Gutes vollbringen können!

Der Riesenamöben-Würfel - einen ganzen Tag vor offiziellem Verkaufsstart!

Werde ich jetzt nach dieser Grenzerfahrung zum ultimativen Ulisses-Fanboy, der jedes Produkt, jede Entscheidung der Firma preist und feiert, und als Jubelperser-Blogger vom Dienst zukünftig keinen Verriss mehr schreiben wird? Das sicherlich nicht - die vier Helden und der Schelm werden auch in Zukunft so kritisch und unabhängig wie möglich zu berichten versuchen. Aber es würde jedem Kritiker, Nörgler und DSA5-Hasser auch mal gut tun, darüber nachzudenken, dass hinter diesen bunten Rollenspielbücher, über die man so trefflich herziehen und sie verachten, beleidigen, und zerreissen kann, eine Menge Arbeit von einigen wenigen fleissigen Mitarbeitern steckt, die sich sicherlich auch mal über das eine oder andere Lob freuen würden.

Dem gesamten Ulisses-Team, allen voran natürlich Markus Plötz. danke ich für die freundliche Aufnahme, das großzügige Geschenk, die wertvolle Zeit, die Ihr für eine bescheuerte Idee geopfert habt, und die neue Begeisterung, die ihr in mir entfacht habt. Es ist toll zu sehen, mit wie wenigen Leuten und Mitteln Ihr es Woche für Woche schafft, diese riesige Lagerhalle mit tollen neuen Produkten zu füllen, die sehr vielen Menschen sehr viel Spaß bereiten.

Nachdem ich Eure eher kargen und kleinen Büros gesehen habe, wird mal wieder klar, dass mit Rollenspielen in Deutschland niemand reich werden kann, und Ihr mit purem Herzblut und viel Enthusiasmus dafür sorgt, dass Das Schwarze Auge nach nunmehr 33 Jahren immer noch lebendig ist. Und sich der kleine Kai auch heute, wie in den achtziger Jahren, von seinem vom Mund abgesparten Taschengeld noch DSA-Produkte kaufen kann, die ihm ein Lächeln auf's Gesicht zaubern. Selbst wenn es so etwas überflüssiges, sinnloses, bescheuertes und trotzdem irgendwie geiles wie der Amöbenwürfel aus dem Trefferzonen-Set ist!

Kommentare

  1. Kai, magst und darfst Du nach all de Jahren verraten, um welches Geheimprojekt es sich hier gehandelt hat?

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    1. Ich denke, dass Markus mir verzeiht wenn ich verrate, dass es um DSA-Einsteigerabenteuer als Tiptoi-Buch ging: Der Tiptoi-Stift hätte die Rolle des Meisters übernommen, die Proben übernommen, Zufallsbegegnungen erwürfelt. Was natürlich schon daran scheiterte, dass Ravensburger sowas nicht nie mit uns gemacht hätte, und die alternativen Stifte wie Ting, BOOKii, Franklin etc. auch nicht offen genug oder verbreitet genug waren. Die Idee war charmant, aber leider nicht umzusetzen!

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    2. Vielleicht wird die Zeit kommen, wenn genug Jungspieler mit den DSA Kinderbüchern angeworben wurden :)

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    3. Ich glaube nicht mehr dran - ehrlich gesagt habe ich von Anfang an nicht an eine Umsetzbarkeit geglaubt. Aber ich hätte so ein DSA-Tiptoi-Buch selbst gerne für meine Kinder, weshalb es mir zumindest einen Versuch wert war!

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